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Title: Vertrauliche Briefe aus Kanada und NeuEngland vom J. 1777 und 1778

Date of first publication: 1779

Author: Heinrich Urban Cleve

Date first posted: Jan. 17, 2022

Date last updated: Jan. 17, 2022

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Vertrauliche Briefe

 

aus

 

Kanada und NeuEngland

 

vom J. 1777. und 1778.

 

 

Aus Hrn. Prof. Schlözers Briefwechsel, Heft XXIII und XXIV.

 

 

 

 

Göttingen

im Verlag der Wittwe Vandenhoeck

1779.

Briefe aus Kanada.

St. Anne, 9 März—20 Apr. 1777.

Eingelaufen in Niedersachsen, 1 Aug. 1777.

Erster Brief.

Ewr. Schreiben vom 3 Sept. habe ich den 18 Decemb. 1776 mit warem Vergnügen erhalten. Nur sehr wenige sind so glücklich gewesen, um diese Zeit Briefe aus der alten Welt zu erhalten: sehr viele dieser Briefe, auf die man sich berufen hat, müßen noch an andern Orten liegen. Man weiß gewiß, daß der englische Obr. Lieut. Maclean, der zugleich Gen. Adjutant bei der Armee ist, ein ansenliches Magazin von Briefen aus England mitgenommen hat; wo er aber mit seinem Schiffe geblieben, weiß man bis jetzt noch nicht. Vielleicht hat er es nicht mer wagen dürfen, in dem LaurentFluß einzulaufen, sondern ist daher auf diesen Winter nach Hallifax gegangen. Ist dieses, so lesen wir bald wieder Briefe aus dem Lande.—Für die mir mitgeteilten europäischen Neuigkeiten bin ich gehorsamst verbunden. Das sind ware Leckerbißchen, die man in den Quebecker Zeitungen (die sonst sehr nutzbare kanadische Intelligenzblätter sind), und besonders im Winter, vergebens sucht.

Sie haben die Güte gehabt, einen freundschaftlichen Anteil an unserm vermeintlichen Mangel an verschiedenen Bedürfnissen zu nemen. Zum Trost unsrer im Lande hinterlaßnen Freunde muß ich aber mit Warheit gestehen, daß solcher keineswegs wichtig oder reell gewesen ist; und daß wir noch bis jetzt Überfluß an sehr gutem Rindfleisch, Schweine- und Schöpsenfleisch, seit dem 20 Febr. auch an Kalbfleisch, ferner an Hünern, Kapaunen, Gänsen, Enten, Perdrix, und Hasen gehabt haben. An weissem Kol, Rüben, roten und KolRüben, an guten trocknen Erbsen und Bonen, hat es uns gleichfalls noch nicht gemangelt. Auf braunen Kol, Blumenkol, Linsen, märkische und Bordfelder Rüben, auf Hirsch- Reh- und wilde Schweins-Braten, haben wir freilich Verzicht tun müßen: aber Ihre Demlle—wird Ihnen sagen, daß von obbenannten reellen Sachen sich noch manche Abwechslungen in einer woleingerichteten Küche machen lassen. Nemen Sie dazu, daß wir zwischen durch manchen guten Fisch gehabt; und daß sich aus WeizenMel und guter Butter manches gute Backwerk machen läßt; und daß man junge Bären, Castor-Schwänze, Caribous, und Orignal-Braten, gleichfalls essen kan, und mit solchen Gerichten wenigstens einer Tafel ein luxurieuses Ansehen giebt: so werden Sie überzeugt werden, daß Mund und Augen auch in Kanada befriedigt werden können. Meinen lieben niedersächsischen Landsleuten seis indeß immer zum Rum nachgesagt, daß ihre geräucherte FleischSachen, ihre Sülzen und Würste, und ihr Einkochen von verschiedenem Fleische, stets originelle Producte von ihnen bleiben werden, die ein Schwabe, ein Obersachse, und ein Rheinländer, eben so wenig wie ein Kanadier kennt. Aus wichtigen und natürlichen Gründen lassen sich dergleichen Sachen aber auch hier nicht fabriciren.

Glauben Sie nicht, daß der gemeine Soldat von uns einen großen Rückstand in Ansehung der Officiere allhier hat. Leztere und erstere müßen ihre Provision nemen, wofür ihnen täglich 2½ Pence abgezogen wird. Unserm General en Chef zum Rume muß ich es bekannt machen, daß durch dessen Vorsorge vorzüglich der deutsche Soldat für diesen Abzug täglich 1½ lb Rindfleisch und 1½ lb WeizenMel erhalten hat: eine Portion, die auch der gesundeste Magen schwerlich täglich wird verdauen können. Bekommt der Soldat nur 1 lb Fleisch und 1 lb Brod oder Mel; so erhält er auch trefliche englische Erbsen, und sehr gute irrländische Butter und Reis. Der König muß wenigstens 4 bis 5 Pence, ja mer, zu dieser Portion täglich zulegen. Salzfleisch haben wir nur diesen Winter aus Not bekommen, wenn neuer Vorrat von frischem Fleische nicht so gleich hat wieder angeschafft werden können: im ganzen genommen aber haben unsre Leute solches kaum 3 Wochen essen müßen. Mit oberzälten Vorteilen ist es den Soldaten leicht gewesen, mit ihren Wirten in Menage zu treten, und von deren anderem Fleische, Federvieh und Zugemüße einen erlaubten und für beide Teile nutzbaren Gebrauch zu machen.—Überhaupt haben unsre Leute diesen Winter ganz gut in ihren Quartiren gelegen. Mer wie 2, höchstens 3 Mann, sind in keinem Quartire gewesen: und da haben sie in gesunden Zimmern gewont, und allerwenigstens auf guten Strohbetten geschlafen. Hat eine Compagnie gleich 6 Leuken oder 3 gute deutsche Meilen auseinander gelegen, und hat daher gute Wege zur Kirche, Lönung, und zum wöchentlichen Exerciren gehabt; so hat diese ihre Bewegung, bei einem stets heitern Himmel und einer reinen und trocknen Luft, die Stelle des besten Arztes bei ihnen vertreten; und außerdem haben sie nichts von Commandos und Piqueten gewußt. Ich glaube, daß 2 Regimenter glücklich genug sind, wenn sie nicht mer als höchstens 6 bis 7 Mann ein jedes in einem Winter verlieren. Gefärliche Kranke haben wir Gottlob gar nicht.

Der Winter ist dieses Jar von einer solchen Beschaffenheit gewesen, daß durchgängig alle Einwoner versichern, so einen Winter hätten sie noch nie erlebt. Wir selber haben keine merkliche Veränderung zwischen der hiesigen und der unsrigen WinterKälte verspürt; und dabei haben wir die stets egale Witterung bewundert. Seit dem 24 Novemb. vorigen Jars, da es anfing ernsthaft zu schneien und zu frieren, haben wir weder Regen noch ein wirkliches Tauwetter gehabt: von dieser Zeit ist der erste Schnee und das erste Eis liegen geblieben. Es hat oft stark geschneit, aber selten über 12 Stunden; und aller Schnee ist trocken und klein gewesen. Man kan sich leicht vorstellen, daß in einem so anhaltenden und egalen Winter die Erde mit einer 4 bis 5 Fuß starken und compacten Schnee und Eisdecke belegt werden muß. Die natürliche eigene Schwere des Schnees, und die in Kanada gegen unser Land weit wärmere Sonne, wissen den Schnee nach und nach zu einem solchen festen Körper zusammen zu drücken, daß man darüber weggehen, und zur Not bei kalten Tagen wegfaren kan. Da Kanada einige Grade südlicher als unser NiederSachsen liegt: so ist es natürlich, daß daselbst die Sonne an sich stärkere Kraft wie bei uns, auch im Winter, haben muß. Daher kommt es auch, daß der kürzeste Tag im Winter 1 Stunde mer wie bei uns hält, und folglich der längste Sommertag auch um 1 Stunde kürzer ist. Den 21 Decemb. hatten wir in diesem Jar den kürzesten Tag, und der ware SonnenAufgang ist um 7 Uhr 45 Min., und ihr Untergang um 4 Uhr 14 Min. Den 22 Jun. haben wir den längsten Tag, und der SonnenAufgang ist um 4 Uhr 5 Min. 28 Sec., und ihr Untergang um 7 Uhr 54 Min. 32 Sec. Der Quebecker Kalender ist überhaupt ganz gut und mathematisch eingerichtet.

Der hohe Schnee, die vielen und dicken Wälder, die wenig bebauten Gegenden und flachen Felder, die vielen großen Flüße und Seen, und die wirklich durchdringende kalte N- und NWWinde, machen Kanada kälter, wie es nach seiner natürlichen Lage eigentlich seyn müßte. Wenn ein solcher Wind es ernsthaft meint; so erstarrt gleich alles, und in gar wenig Minuten können unbedeckte Teile des Körpers erfrieren, ohne daß man es selbst merkt. Für Menschen, die keine gute Brust oder Lunge haben, sind diese Winde gefärlich; und es ist wahr, daß man alsdann kaum die Zimmer zu heizen vermögend ist. Den 2, 3, und 4ten Jan., und den 5 und 6 März, haben wir penetrant kalte Tage gehabt. Heftige Sturmwinde, die höchstens 12 Stunde dauren, sind gemeiniglich die Vorboten sehr kalter Tage; und von diesen sind ansenliche Nordlichter wieder die Vorläufer. Die recht strengen Tage halten indeß gleichfalls nicht viel über 72 Stunden an; und man findet Tage mitten im Winter, an welchen die Sonne eine recht erwärmende und erquickende Kraft zeigt, und die man FrülingsTage nennen könnte.—Die ganze Armee trägt des Winters noch eine besondre WinterMondirung: diese besteht in einer tuchenen Überhose, welche von den Füßen an bis unter den Nabel tritt, in ein par großen Fausthandschuhen, und in einer tuchenen Kappe, welche das Gesicht, den Hals und die Schultern bedeckt. Die englischen Regimenter tragen außerdem über ihre Mondirungen noch Capots Canadiens.

Der LaurentFluß, der in regula sonst alle Jar gänzlich zufriert, hat vor dem Monat Februar nicht Eine Eisbrücke angesetzt. Von Trois Rivieres bis Quebeck ist vor dem 16 Febr. gar keine Brücke gewesen. Weil durch die Flut oberhalb Trois Rivieres eine solche Brücke zersprengt ist, und die Eisschollen davon sich bei unsrer Paroisse St. Anne, und bei der nicht weit davon liegenden Paroisse les Grondines, staueten: so bekamen wir dadurch 2 Brücken den 17ten, welche den 19ten bereits befaren wurden. Es ist ein besonderer Anblick für den, der zum erstenmal über einen Fluß von 3 deutschen Meilen färt, und an manchen Stellen, rechts und links von der Brücke, auf keine 3 Schritte weit, den offnen und heftigen Fluß sieht: wenn man über rudera andrer zerbrochnen Brücken färt, welche allhier die Lücken glücklich zugestopft haben; wenn da Eis unter einem zu schwanken scheint, kracht, und an beiden Seiten hin und her Kentern schießt; oder wenn man über Handbreit offene Ritzen jagen muß. Zur Zeit der Flut färt man bei diesen Gelegenheiten nicht gerne über einen Fluß, und noch weniger wenn der Wind heftig ist, und aus Osten weht. Hat das Eis nur eine Dicke von 4 guten Zollen erhalten: so wagt der Kanadier schon sicher mit Kariolen darüber zu faren. Über die in den Laurent sich ergießende Flüße sind wir dagegen schon mit dem Ende des vorigen Jars gefaren; und auf gleiche Art gehen auch die meisten Wege an beiden Seiten des großen Flußes weg, als welcher nur hartnäckig ist, in der Mitte erst zuzufrieren. Er reißt seine Seiten auch wol auf, und vorzüglich bei starker, Flut; aber nach und nach muß er dafür zu seiner eignen Strafe 2 bis 3 EisBrücken über einander bauen.

Es ist unglaublich, welche Touren man in kurzer Zeit über EisWege in einer Cariole (d. i. in einem niedrigen und unten mit Eisen beschlagnen Schlitten) machen kan. Von St. Anne nach Trois Rivieres, oder 7 starke deutsche Meilen, bin ich selbst 2te, den Furmann exclusive, mit Einem Pferd in starkem Trabe in 4 kleinen Stunden gefaren. Pferde, die 12 Leuken oder 6 gute deutsche Meilen in weniger wie 3 Stunden laufen, sind in Kanada nicht rar; und dennoch werden diese Tiere ohne besondre Pflege und Wartung 20, 24 bis 30 Jare alt. Mit guter Relais reiset man in 16 Stunden richtig 30 Meilen in Kanada.

Die SchneeWege will ich in einem andern Briefe beschreiben. Bleiben Sie mein Gönner und Freund, und empfelen Sie ihren gehorsamsten Diener, so gut Sie können, Ihrer. . . .

Zweiter Brief.

Diesesmal, liebe Mama, unterhalt ich mich blos mit Ihnen von kanadisch-ökonomischen Dingen; ob ich gleich besorge, daß Sie so wenig in Sch— als in R— eine Anwendung davon werden machen können.

In der Mitte vom December ist das Schlachtfest der Kanadier, gegen welches alle europäische Schlachtfeste weichen müßen. Alles fette vierfüßige und alles feiste FederVieh muß in ganz Kanada, in einer Zeit von 8 bis 10 Tagen, sein Leben hergeben, und aller Orten sieht man Merkmale von einem allgemeinen Morden. Alle fette Ochsen, Schweine, Hämmel, Hüner, Gänse, Enten, und welsche Hüner, müßen ihre Kelen ohne alle Gnade darreichen, um das Menschengeschlecht auf den ganzen Winter zu versorgen. Aber welche Abweichung von unsrer Methode! man haut die Teile der vierfüßigen Tiere in beliebige Braten- oder Kochstücke, rupfet die Federn aus dem zamen Geflügel, ohne warmes Wasser dabei zu gebrauchen, läßt solchen die äußersten Schwanz-, kurze Flügel-, und KopfFedern, bindet mit Bast ihre Flügel und Keulen fest an ihren Leib, und übergibt alles Fleisch und Flügelwerk der Vorsorge der lieben Mutter Natur, läßt solches im Freien erst recht durchfrieren, und legt solches darauf in einen exprès dazu erbauten Hangard (Spieker), der von allen Seiten durch die Winde bestrichen werden kan, und nimmt den ganzen Winter ein gefälliges Stück nach dem andern heraus, und kocht und verzert solches im Frieden und mit gutem Appetit. Was fehlt dieser wirtschaftlichen Gewonheit?

Wollen Sie sagen, daß das Fleisch seine Kraft, seinen Geschmack und Ansehen verliere: so berufe ich mich auf die Augen und Zungen einiger unsrer Fleischkenner aus Niedersachsen. Wollen Sie einwenden, daß unausgenommenes FederVieh, welches 3 und merere Monate hängt oder liegt, einen widrigen Geschmack anneme: so erwiedre ich, daß erstlich Leber und Magen verloren giengen, und das innere Fleisch des Geflügels durch eine unnatürliche Hölung (wenn man solche auch gleich mit Heu oder Hede verstopfen wollte) braun und rot werden, und einen degoutanten Geschmack annemen würde. Dagegen ist und bleibt alles gefrorne Fleisch weiß, mürbe, wolschmeckend und saftig; und das Federvieh hat seinen Magen und Leber unter den Armen, wenn es auf die Tafel gesetzt wird. Ein alter Canadien würde aber gleich von Anfang erwiedert haben, daß er ersparte und zugleich gewönne, und er also von seiner Art zu verfaren einen doppelten Vorteil hätte. Und dieses ist auch in der Tat sehr natürlich richtig. Alle im December in Kanada geschlachteten Tiere fressen bis zu Ende des Aprils, wo sie erst völlig gegessen werden, niemalen etwas mer, und die Ersparung des Futters ist also gewiß und groß. Und zweitens ist es war, daß auch bei uns, in harten Wintern, ein im SpätHerbst bereits fett gewesenes Vieh des Winters wieder abnimmt, wenn es nicht mit besondrer Sorgfalt und gedoppelten Unkosten gewartet wird; und folglich ist der Gewinn bei dem frühen Schlachten in Kanada sichtbar. Wir haben Hüner diesen Winter hier mit vieler Sorgfalt gefüttert; der Winter ist nicht streng gewesen: und dennoch haben solche gegen die im Decemb. bereits geschlachteten verloren. Man schließe also von einem Hun auf einen Ochsen, so wird der Gewinn abermals im Ganzen sehr sichtbar in die Augen fallen. —Von Einsalzen, Räuchern, und andern Methoden das Fleisch zu verwaren, wissen die Canadiens nichts, und ihre Häuser sind auch nicht dazu gebaut und eingerichtet. Es felt an guten Kellern, weil es in den meisten Paroissen an Steinen gebricht; und die besten Rauchkammern in den hölzernen Häusern würden der gewönlichen kanadischen Kälte schlecht widerstehen. Man muß also den Kanadiern ihre Gewonheit, das Fleisch durch Frieren frisch zu erhalten, wol billig lassen; zumal da sie alles frieren lassen, was nur Frost vertragen kan. Hasen, Haselhüner, und andres Flügelwerk, hangen in ihren Fellen und Federn den ganzen Winter hindurch im Hangard; auch sehr delikate Fische, mit denen besonders die Paroisse St. François fast halb Kanada versieht, erwarten im Hangard ihre Zeit, herausgenommen und gekocht zu werden: man weiß also nichts davon, daß Fische im Winter absetzen. So gar auch KuhMilch giesset man in große Gefäße, und läßt solche in beliebige Bodens frieren, von denen man ein Stück nach dem andern abschlägt und kocht: sehr selten wird die Milch so unartig seyn und gerinnen.

Wasser, Bier, Wein, und andre Spirituosa muß man dagegen vor dem Frieren sehr sorgfältig bewaren, und folglich sich nicht schämen, diese Sachen zu sich in das Zimmer oder in das ans Zimmer stoßende Cabinet zu nemen, von welchem die Tür offen stehen bleibt. In den Häusern der gemeinen Habitans stehen daher hölzerne WasserGefäße mit Deckeln in einer Ecke der Stube, und ein blechernes lakirtes Maaß hängt darüber, aus welchem jeder nach Belieben sich Wasser ausfüllen, und solches aus diesem Gefäße trinken kan. Vorneme haben Vasen von Fayance in ihren Zimmern, in welche auch wol frisches Wasser durch Rören hereingeleitet werden kan; und im Sommer findet man bei ihnen folglich auch in ihren Zimmern einen külenden und erquickenden Trunk. Arme Leute haben ihre starke Getränke in kleinen Tönnchen, die man Barils nennt, in ihrer Stube auf einem Stule unter ihren Augen liegen, und ziehen nach und nach Gläser und Bouteillen davon ab. Vorneme und Reiche haben dagegen große und viereckte von schönem Holz verfertigte und mit Messing beschlagene Kasten in ihren Zimmern, in welchen geschliffne Flaschen von 3 und mer Stübchen stehen. Einen solchen Apostel setzt der Wirt, wenn er ein guter Ökonom ist, bei sich auf den Tisch, und füllt damit vermittelst eines silbernen Trichters die Caravinen auf dem Tische an: nach aufgehobner Tafel setzt er sein großes Gefäß wieder in seinen KellerKasten, schließt solchen zu, und ist gewiß, daß ihn sein Kellermeister nicht bestelen kan.

Alles trächtige Vieh bleibt den Winter über im Stalle, und wird ziemlich ordentlich gepflegt. Das sogenannte güste Vieh aber, so wol Rindvieh als Schafe, geht den ganzen Tag im Schnee herum, und solchem wird Stroh und Heu auf dem Schnee vorgestreut, welches sie, nebst einer beliebigen Portion Schnee statt des Wassers, nach und nach auffressen. Bei heitern und kältern Tagen sind sie sehr hinter die s. v. Abtritte her, welche Stellen sie im Schnee und Eis ganz rein lecken. So elend und langharig das Vieh im Winter aussieht; so gesund und munter ist es im Grunde: und der Genuß der frischen KräuterKur im Früling setzt es binnen 4 Wochen in einen so guten Stand, daß der strengste deutsche Landmann dennoch seinen Gefallen darüber äußern würde. Die ViehSeuche ist in Kanada ganz unbekannt.

Ich hatte mir vorgenommen, noch von einer besondern Fischerei mit Ihnen zu reden: allein da ich versprochen habe, mit ihrem Hrn. Sohn auf die Jagd zu gehen, und solcher schon die Raquets unter den Füßen hat; so muß ich mich gehorsamst beurlauben.

Dritter Brief.

Da hab ich Dein aus 1-1/16 QuartBogen bestehendes Schreiben vor mir liegen. Du bist noch immer der deutsche Plinius; ob ich gleich wünschte, daß Du in Ansehung meiner, wenigstens so lange ich noch in Amerika bin, M. T. Cicero werden möchtest. . . . Höre, Bruder; ein kanadisches PackPferd bin ich nicht. Meine besten Habseligkeiten trag ich freilich in der Tasche: aber meine Bagage färt auf Caleches, Charettes, Carioles, Truines, Bateaux, Canots, oder Barques. . . . Nun komm, wir wollen auf die Jagd gehen.

In der Nähe der Paroissen schießt man nichts von Erheblichkeit. Die Habitans haben in der Nähe der Habitationen alle wilde Tiere ausgerottet. Ein JagdLiebhaber findet daher in Kanada wenig Freude, wenn er nicht sonst nach Manier der Wilden das Jagdwerk treiben will. Was man in den Paroissen findet, sind Hasen: diese sind klein, jämmerlich, und weiß von Haren. Ihre Löffel sind kleiner als die von unsern Hasen, und ihr Fleisch hat nicht den WildGeschmack. Ihre LebensArt ist traurig: sie laufen nicht in die Felder, sondern liegen unter einem Baum oder Busch, und halten sich in sehr kleinen Revieren von einigen 100 Schritten auf, in welche sie gleichsam wie bezaubert sind. Man verwendet keinen Schuß Pulver an sie, sondern fängt sie in gewaltiger Menge in Schlingen. Man kauft das Par für 5 bis 6 Pence: zur Not legt man ein halbes Duzend dieser gebratnen Schächer auf eine Schüssel voll sauren Kol.

Das zweite Wild, das man in den Paroissen schießen kan, sind die sogenannten Perdrix. Ganz unrecht nennt man sie also, denn sie haben wenig änliches mit unsern Feldhünern. Es sind ihrer eigentlich 3 Sorten, von welchen die 1ste unsern Haselhünern sehr gleicht, die 2te sehr viel Fasanenartiges an sich hat, und die 3te an Größe zwar einem Rebhun gleicht, allein mit sehr langen Hälsen versehen ist. Sie sitzen zu 20 bis 30 auf einem Baume, und zwar so still, daß man zehenmal unter diesen Bäumen weggeht, ohne sie zu entdecken. Hat man einen Hund bei sich, so pflegt solcher unter einem solchen Baume zu stehen. Alle Perdrix strecken den Hals nach dem Hund herunter, und sehen solchen an. Der Jäger schießt den obersten Vogel herunter, und alle andre bleiben geruhig sitzen, und meditiren über den Hund. Dann nimmt man abermals den obersten Vogel, und schießt auf die Art ein Stück nach dem andern herunter. Die noch lebenden Vögel lassen sich in ihren philosophischen Betrachtungen über den dummen Hund nicht stören, und finden nach einander einen unerwarteten Tod. Schießt man aber von unten in den Baum; so macht das Gerassel des Hagels und der Dampf des Pulvers alles aufsätzig, und der ganze Trupp fliegt weg, und setzt sich in einen andern nahe stehenden Baum. Diese Vögel schmecken ziemlich gut, und haben ein sehr weisses und zartes Fleisch. Man kauft das Par für 6 Pence, und sie sind im größten Überfluß vorhanden.

Kleine rote Eichhörnchen sind in Menge in den Paroissen: weil sie nur halb so groß wie bei uns sind, so läßt man die Närrchens leben. Weisse rote und schwarze Füchse trift man auf 2 bis 3 Leuken von den Habitationen an, und selten wagen sie sich zum Walde heraus. Sie sind nicht so schelmisch, wie die bei uns. Land- und WasserCastore, wovon die leztern um 50 proCent besser wie die erstern sind, findet man 3 bis 5 Leuken von den Habitations. Ein recht schwarzes WinterCastorFell gilt unter Brüdern jezt ½ Guinee: 12 dieser Felle gehören wenigstens zu einem guten Pelze. Man ißet ihr Fleisch, und besonders ihren Schwanz; letzterer ist aber widernatürlich fett. Ottern giebt es noch genung, und man trägt viele Casquen von ihren Fellen. Marder giebt es nur tief in den Wildnissen; unsre europäischen sind wo nicht besser, doch aber eben so gut, und zugleich viel wolfeiler. Der schwarze Marder ist rar; und ein DamenPelz, der schön seyn soll, kömmt ohne Überzeug leicht auf 12 Guineen zu stehen. MuskusKatzen findet man in den Flüßen genug: ihr Pelzwerk ist beliebt. Wölfe giebt es nur in den Wäldern nach NeuSchottland zu: sie sind schlechter wie bei uns, auch kleiner, und ihr Pelzwerk wird wenig geachtet. Wilde Katzen giebt es genug in den großen Wäldern, und die Wilden brauchen gewönlich ihr Fell zu den Beuteln, in welche sie ihre Messer stecken, und welche sie vor der Brust stecken haben. Schwarze und weisse Bären giebt es vorzüglich an der NordSeite gegen das Land der Eskimo’s zu. Es giebt keinen bemittelten Habitant, der nicht ein par BärenFelle haben sollte, um solche in seiner Kalesche oder Kariole auszubreiten. Man ißt das Fleisch der jungen Bären auf den Tafeln der Vornemen. Iltiße und Wiesel findet man häufig genug, aber nicht in den Habitations. SeeWölfe schlägt man am Ausfluße des St. LaurentFlußes in Menge todt: man kocht Tran daraus, und beschlägt Coffres mit ihren Fellen; auch macht man WinterSchuhe davon.

Wilde kanadische oder BüffelOchsen, die einen Höcker mit langen krausen Haren auf dem Rücken haben, giebt es oberhalb Montreal, und seitwärts nach dem Lande der fünf Nationen zu, in grosser Menge. Dieses ist die principalste Jagd der Wilden. Sie wissen die Felle vortreflich zuzubereiten; und man findet keinen Kanadier, der nicht einige Stücke haben sollte. Man deckt sich damit in den Kariolen zu, und man kan auch darauf schlafen, oder sich damit im Bette bedecken. Ein gutes Fell kostet jetzt 6 bis 8 Piaster, oder 10 Rthl. 16 Ggr.—Die zwote HauptJagd der Wilden ist die der Orignali. Ein Orignal oder Orinal ist ein Tier, das beinahe so groß wie ein Kamel ist, HirschBeine, RehFüße, einen Kamelartigen Hals und Höcker, gewaltig lange Ohren, Geweihe wie ein Palmhirsch, und einen KuhLeib, hat. Man kan sie jung zu Haus Tieren aufziehen. Ihr Fleisch wird stark gegessen, und ihr Fell giebt ein vortrefliches Leder.—Caribous sind andre Arten von Tieren, die von einem Reh und Ochsen viel an sich haben. Ich habe noch keins gesehen. Es soll ihrer viele in unsrer Nachbarschaft geben. Rehe und Gemsen giebt es nur nach NeuYork zu: in Kanada ist ein Reh eine große Seltenheit. Was Sauterol, Vison, oder Minx für ein Tier ist, kan ich noch nicht recht erfaren. Ich trage eine Casque von diesen TierFellen, die mir fertig 7½ Piaster gekostet hat. Die Kanadier sind in der Naturkunde ware Dumbärte; und es ist eine üble Sache, daß niemand ein NaturLexikon mitgenommen hat: denn an Bibliotheken stehet in Kanada nicht zu gedenken. Carajous halten sich nur an der NordSeite des Flußes auf, und zwar gegen die Herren Eskimo’s zu: sie sind eine Art von großen wilden Katzen, mit einem sehr langen Schwanze, womit sie sich an den BaumÄsten festhalten. Sie lauren auf die unten her gehenden Tiere, fallen solchen an den Hals, und beißen ihnen die große PulsAder ab: auf die Art bezwingen sie große Tiere. Hirsche, wilde Schweine, und Kaninchen, cessant.

Aus allem diesem ziehe ich nun noch ein wichtiges Corollarium: und das ist dieses, daß der, welcher große Lust zu einer reellen Jagd hat, sich durchaus zu einer oder der andern wilden Nation geben muß, mit solcher nach der Sitte der Wilden leben, essen, schlafen, marschiren, schwimmen, und 4 bis 500 Leuken und mer in den Wildnissen umher streifen muß. Es ist unglaublich, welche Jagdzüge die Wilden durch Wälder über Berge Flüße Seen und Moräste machen, und welche Mittel sie wissen, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Sie gehen 50 bis 60 deutsche Meilen in die Wildnisse, schlagen daselbst Hütten auf, lassen in solchen einige Menschen zurück, und die übrigen gehen in alle nur mögliche Teile der Welt zu 2 und 3 herein, jagen und schießen was ihnen vorkommt, und assembliren sich nach 4 bis 5 Wochen wieder bei ihren aufgeschlagnen Hütten, und wissen sich so gut wieder dahin zu finden, als wenn sehr richtige Wege dahin gingen. Der Wilde kan überhaupt auf viele 100 Leuken durch Wildnisse und alle natürliche Hindernisse eine gerade Linie gehen, und auf dem Platze, den er sich vorgenommen, seine Reise richtig endigen. An den Bäumen, an den Blättern, an den Flüßen, und an andern natürlichen Dingen, wissen sie solche Merkmale zu finden, nach welchen sie sich eben so genau und richtig zu richten wissen, wie wir nach unsern Compassen. Sie machen natürliche Schlüße in Gegenden, die sie noch niemals betreten haben, und sagen 2 Tage vorher: »Da und da kommt ein Fluß aus der und der Gegend, er muß sich aber da und dorthin wenden«, und ihre Angabe trift ein. Es ist dieses ein feiner Instinct bei ihnen, den ihnen blos die Natur beigelegt hat, und der sich wenig auf Nachdenken oder reife Erfarung gründet. Wenn sie im Stande sind, wie sie denn solches gewiß können, aus den Fußtapfen der Menschen zu wissen, von welcher Nation diese Tapfen eingedrückt worden; wenn sie im Dunkeln diesen Fußtapfen durch Busch und Braak nachgehen, und ihre Nase nur allein zum SteuerRuder machen; wenn sie mit ihrer Nase eben so gut, wie unsre Jagd- und HünerHunde, wittern können: so steht der Verstand eines in den besten Grundsätzen erzogenen Menschen still, und kan die feinen tierischen Empfindungen nicht begreifen, mit welchen Gott Menschen, die wir Wilde nennen, begabt hat. Hier muß ich abbrechen, weil ich in ein Kapitel komme, das ich noch nicht ganz ausstudirt habe, das den Wilden in die Klasse des unvernünftigsten Viehes, und zugleich in die Klasse des edelsten Menschen, setzt. Zu beiden haben sie ein ihnen angebornes Recht; und man verabscheut heute einen Menschen, den man morgen in Ansehung seines Herzens und waren Adels der Seele bewundern muß. Selbst durch ihre Tänze wissen sich in einen Enthusiasm zu setzen, daß man sie wechselsweise als eingefleischte Teufel, oder als Menschen von der ersten Klasse, betrachten muß. Unter und mit diesen Menschen gehen so wol viele Kanadier als Engländer auf die Jagd; oder besser gesagt, sie leben mit solchen verschiedene Jare auf wilde Manier. Trieb die Gegenden kennen zu lernen, Trieb zur Jagd, zum Pelzhandel, und zum Commerz mit den Wilden, Pensions die diesen Abenteurern nie entstehen, wenn sie sich bei einer oder der andern Völkerschaft beliebt machen, und nachmalen zu wesentlichen Geschäften des Gouverneurs gebraucht werden können, rekrutirt von Jar zu Jar diese Abenteurer. Der Capitain Carleton vom 31sten englischen Regiment, und erster Aide de Camp bei seinem Oncle dem General und Gouverneur, hat verschiedene Jare auf diese façon mit und unter den Wilden gelebt. Sein ganzer Leib hat die wilden HeldenProben ausgehalten, und ist mit wilden Figuren geziert, die er hat eingraben oder einbrennen lassen. Er hat so gar eine Sauvagesse zur Frau gehabt, und versichert noch diese Stunde, daß die Zeit seines Lebens bei den Wilden in Ansehung seiner mit einer natürlichen Glückseligkeit verbunden gewesen wäre, die er nachmals oft vermißt hätte. Man kan sich keinen feinern, douçern, freundschaftlichern, artigern, und dabei ungezwungenern Mann vorstellen, dessen LeibesConstitution jedoch schwächlich und zärtlich zu seyn scheint. Er commandirt noch die Wilden, welche die AvantGarde bei unsrer Armee machen müßen, und er ist unter den Wilden höchst beliebt. Seine jetzige Gemalin ist eine sehr schöne Dame, eine Mylady, und die Schwester der Generalin Carleton.

Vierter Brief.

Wie wir uns diesen Winter divertirt haben? O, Ihnen aufzuwarten, recht gut! Sehen Sie, da haben wir einige Seigneurs und Curés in unsrer Nachbarschaft gehabt; und mit Hülfe unsrer benachbarten Officire haben wir denn auch so ganz gesellig, umgänglich, freundschaftlich, vergnügt, und zu Zeiten auch so etwas hoch, gelebt. Unser Seigneur in St. Anne, der ziemlich reich ist, Grand Inspecteur des Forêts et des eaux royales ist, und die Stelle eines Aide de Camp bei dem General Carleton bekleidet, hat uns Landleute von Quebeck aus oft besucht, Gesellschaft und StadtDamen mitgebracht, und uns manche kleine Fete auf seinem hiesigen Rittersitze gegeben. Auch die Curés sind nicht zu verachten, und sind fast durchgängig gute Royalisten, und Besitzer ganz fetter Pfründen, vermög welcher sie wol im Stand sind, Diners von 20 Couverts zu geben, und recht gute, ja zum Teil französische Weine mit herumreichen zu lassen. Der Curé in Batiscan, Mr. le Fevre, hat verschiedene male dem Hrn. General von Riedesel sehr wackere Fêtes gegeben; und seine Nachbarn zu St. Anne nicht vergessen. Man trift sehr spirituelle Leute unter ihnen an, sie sind fast offenherziger wie die Laien. Zum Teil steigen sie in die Klasse loser Vögel; auch hab ich sogar schon einen lustigen Passagier unter ihnen gefunden. Ihr Ansehen in ihren Paroissen ist groß, und ihre Nachsicht gegen uns arme Kätzer ist zu bewundern. Das ächte französische Blut ist durch ihre etwas beßere Erziehung ziemlich wieder bei ihnen aufgewärmt.

So weit brauche ich mich aber auch nicht einmal wegzuwerfen, um es Ihrer Einbildung allein lediglich zu überlassen, wie wir uns, bei so gestalter Beschaffenheit der Dinge, haben divertiren können; sondern ich will die Ehre haben, Sie auf einige große Fêtes mitzunemen.

Den 28 Decemb. a. p. fur der Hr. Gen. Brigadier Specht mit mir von St. Anne ab, um dem Hrn. Gen. Carleton sowol in Quebeck seine Cour zu machen, als daselbst einer Fête beizuwonen, zu der wir solennissime invitirt waren. Wir blieben die Nacht zu Cap Santé bei dem Hrn. OLieut. von Ehrenkrok.—Den 29 furen wir vollends nach Quebec. Den 30 machten wir des Morgens Sr. Excellence unsre Cour, und speißten Mittag bei demselben. Abends soupirten wir bei dem Hrn. Lieut. Gouverneur Cramahe. Den 31 war das große Fest, als an welchem Tage die Befreiung der Stadt Quebeck vom 31sten vorigen Jars gefeiert wurde, wo die Rebellen auch ihren großen Anfürer, den General Montgomery, verloren haben. Um 9 Uhr morgens wurde in der KathedralKirche ein Dankfest gehalten, und Monseigneur (der Bischof) hielten selbst das hohe Amt: 8 malheureux Canadiens, die den Rebellen beigestanden hatten, mußten mit Stricken um den Hals öffentliche Kirchenbuße, und Gott der Kirche und dem Könige Abbitte, tun. Um 10 Uhr versammelten sich alle Civil- und MilitärPersonen, und alle fremde auch einheimische Gentlemens, sowol Canadiens als Engländer, im GouvernementHause. Alle in Quebeck angeseßne Gentlemens trugen, als Officire de Milice, grüne Montirung mit Paille-Aufschlägen, Westen und Beinkleidern, und silberne Epaulets auf den Schultern. Se. Exc. kamen um halb 11 aus ihrem Zimmer, und namen die GlückwunschComplimente an.—In Begleitung des Hrn. Gen. Maj. von Riedesel, Brigad. Specht, auch aller anwesenden Officiere und englischen Gentlemens, ging derselbe um 11 Uhr auf den großen Platz vor dem RecolletsKloster, allwo die französische Milice, oder kanadische Bürgerschaft von Quebeck, in 8 Compagnien aufmarschirte, und nach Sitte und Weise der Bürgerschaft in W—l ein 3maliges Lauf- und FreudenFeuer machte, und Vive le Roi rief. Von hier ging der Zug in die OberStadt, wo wir in der englischen Kirche dem Gottesdienste beiwonten. Bei dem Te Deum ertönten die Kanonen von der Citadelle; und die begeisterte Bürgerschaft schoß beliebig mit Geweren und Flinten zu den Fenstern heraus.—Um 3 Uhr wurde beim Hrn. General an einer Tafel von 60 Personen gespeist: außer den 2 Lady Carleton aber speisten keine Damen mit.

Um 6 Uhr Abends begab sich der ganze Zug nach der großen englischen Auberge, wo wir bereits über 94 Dames und 200 Chapeaux vorfanden, die in einem großen Sale waren. Die Damen saßen auf verschiedenen Reihen hinter einander erhabener Bänke. Es ließ sich so gleich ein Concert hören, bei welchem auch eine englische Ode, die auf diese Feier gemacht war, in Arien, Arietto’s, Recitativen, und Chören, abgesungen wurde. Wärend dieser Musik wurden Billets an die Personen beiderlei Geschlechts ausgeteilt, welche tanzen wollten. Jeder Chapeau bekömmt ein Billet auf seine Dame, mit der er den ganzen Abend tanzt, und das mit Num. 1, 2 &c. gezeichnet ist. Es wird hiebei einigermaßen auf den Rang sowol der Chapeaux als der Dames gesehen: Fremde aber werden sehr vorgezogen. Von so viel Paren wie da sind, tanzt jedes Par seine Menuette für sich, und die Dame ruft den Namen der Menuette, so gespielt werden soll: dies wird bei großen Bällen sehr langweilig. Englische Tänze werden in 2 Parteien getanzt, in die der lange Sal in der Mitte durch einige Reihen Bänke abgeteilt war. Rang im Platze in den Reihen, oder das bekannte Vordringen, fällt weg: und der Gouverneur selbst, der nicht tanzte, gab sich alle ersinnliche Mühe, die Gleichheit zu erhalten. Damen, die nicht tanzen wollen, ziehen ganz kleine BügelRöcke an: und die Chapeaux, die nicht wollen zum Tanz gebeten seyn, ziehen schwarztüchene Schuhe mit FilzSolen an. Es wurden allerlei Erfrischungen herum gereicht: und ohnerachtet der Platz ziemlich beengt war, so wurde man doch durch keinen Zuschauer incommodirt, indem dergleichen Zuschauen keinem Menschen einfällt. Die Straßen vor dem Hause waren so ledig von Menschen, wie nur zu denken seyn kan.—Um 12 Uhr Nachts wurde an verschiedenen Tafeln soupirt. Es war zwar lauter kaltes Essen, aber ein Überfluß an Delikatessen und Backwerk, vorhanden. Um 2 Uhr tanzte man von neuem bis an den hellen Morgen. Alle englische und französische Officiers de Milice von Quebeck gaben diese Fête, die leicht einige 1000 Rthlr. gekostet hat.

Den 1 Jan. 1777 war des Morgens eine allgemeine Cour bei dem Gouverneur von allen Personen der Kirche, des Gesetzes, des Degens, des Commerce, und der Seefart. Die ganze Stadt wimmelte von Kariolen, indem einer dem andern NeuJarVisiten machte. Wir ließen uns auch herumkariolen, wurden aber auch manches Billet los. Mittags speisten wir bei Mr. de la Naudière; und Abends war grosse Assemblee im GouvernementHause, wo an einigen 30 Tischen gespielt wurde. Um 10 Uhr gieng ein jeder nach Haus, und legte sich aufs Ohr.—Den 2 speisten wir beim Obristen St. Leger, Commandeur des 34sten Regiments, und jetzigen Commandanten in Quebeck, den wir schon genau im Lager bei Chambly hatten kennen lernen. Weil nur Chapeaux an der Tafel waren, wurden gewaltig viele Toaste getrunken. Abends beurlaubten wir uns beim Hrn. General, ohnerachtet wir noch auf verschiedene Feten, und besonders zu einer solennen Schlittenfart von 100 Kariolen auf das Landgut des Dr.—, gebeten waren. Dieser Mann ist Doctor Medicinä, JustizRat, und gar ungemein reich; er ist Lukull in Quebeck, und hat auch, so wie der, keine eigne Frau.

Den 20 Jan. feierte der Hr. Gen. Maj. von Riedesel das GeburtsFest Ihro Majestät der Königin in Trois Rivieres. Wir kariolten auch diese 7 deutsche Meilen in 4 Stunden dahin, und speiseten an einer Tafel von 40 Couverts, an welcher auch verschiedene Louis-Kreuze saßen, die aber übrigens sehr arm zu seyn schienen. Viele Gesundheiten wurden in Champagner, unter Abfeurung einer kleinen Kanone vor dem Hause, getrunken. Nachmittags und Abends war ein Ball, auf dem gleichwol 37 Damen erschienen; welche auch des Abends soupirten, und von den Cavaliers servirt wurden. Die Demoiselle Tonnencour erhöhte zwar ihren Reiz durch ihre Juwelen sehr: allein die arme Demois. R . . . e in ihrem elenden cattunenen Schlender behielt dennoch, durch ihre natürliche und sanfte Anmut, und durch ihre schöne Stimme, bei manchen den Vorzug. Sie müssen wissen, Mein Herr, daß die kanadischen Schönen bei Tisch italienische und französische Chansons singen; und daß, dem Hrn. Gen. von Riedesel zu Ehren, verschiedene Chansons schon gedichtet und componiret sind, und oft in Trois Rivieres gesungen werden.

Den 5 Febr. zäle ich deswegen zu einer ausserordentlichen Fete, weil in der Kirche von St. Anne 7 Pare copulirt wurden. Der Hr. Brigadier fürte eine Niece des Curé’s, der Major von Ehrenkrook eine Sauvagesse, die ein Sauvage de la Nation des setes de boule heuratete, und ich eine Verwandtin des Capit. de Milice, zum TrauAltar. Dieses EhrenAmt kan man nur bei Bräuten erhalten, die keinen Vater mer haben, und man vertritt also Vaters Stelle. Mittags speißten wir beim Curé; und Abends divertirten wir uns in verschiedenen HochzeitHäusern, wo Politessen und kleine Sottisen mit einander abwechselten, so wie es denn ungefer auf unsern BauerHochzeiten zu gehen pflegt. Weil unsre Oboisten in Quebeck waren, und man von DorfMusikanten nichts weiß: so wurden nach dem Tralalara eines Kanadiers Menuets getanzt. Chansons aus voller Brust singen zu hören, mußte man sich auch gefallen lassen. Wir haben indessen gewissermassen ein FamilienRecht in St. Anne hiedurch gewonnen: denn alle alte Mütterchen von 70 Jaren, bis auf die jungen Mädchen von 15 à 16 Jaren, halten uns von freien Stücken ihre Mäulchen her. Dieses ist der kanadische Gruß zwischen Verwandten und sehr guten Freunden: die Männer gegen Männer, und Frauensleute gegen Frauensleute, reichen einander nur die Hände. Dieser Gebrauch ist in den vornemsten Häusern üblich, und ein Recht der Freundschaft.

Fünfter Brief.

Etwa den 6 Jan. geht järlich eine besondre Fischerei in Kanada an, die 4 Wochen dauert. Die kleinen CodFische steigen in dieser Zeit in unglaublicher Menge in den LaurentFluß, gehen solchen bis über Montreal hinauf, und treten zugleich in alle in den Laurent sich ergiessende kleinen Flüsse. Man haut daher zu diesen Zeiten Löcher in das Eis, nimmt einen Stock, befestigt daran 10 bis 12 verschiedene Stränge von Bindfaden, bindet an jeden Faden ein Stück rohes Fleisch (am besten LungenStücke), hängt die Stränge sonder alle Angeln in das Wasser, zieht nach einer Sekunde die Stränge zum Wasser heraus, und schüttelt so viel Fische auf das Eis, wie sich an das Fleisch angesogen haben, und läßt sie auf dem Wasser erfrieren. Es ist unglaublich, welche Berge von Fischen auf diese Art gefangen werden, und wie viele tausend Fuder mit hölzernen Schaufeln in Kariole oder auf Truines geladen, und nach Hause gefaren werden. Die Kunst, sie zu conserviren, bestehet darin, daß man sie auf einen Haufen wiederum schüttet, und dem Winde der Luft und dem Schnee überläßt, jedoch sie durch eine Umpfälung vor den Schweinen wol verwart. Diese Fische sind die HauptNarung der Kanadier in der FastenZeit. Sie sind in Ansehung der Größe völlig mit unsern Stinten zu vergleichen, haben aber ein sehr weisses süsses und blättriges Fleisch, müßen folglich stark gesalzen werden, und schmecken gebraten oder gekocht, und mit Baumöl und Essig appretirt, sehr gut. Im April und Mai marchiren sie mit klingendem Spiele nach den Bänken von TerreNeuve wieder ab, sind in Kanada nicht klüger worden, sondern lassen sich zu tausenden daselbst wieder fangen, um den Namen Stockfische anzunemen. Das sonderbarste hätte ich bald vergessen; und das ist, daß man sowol trächtige Kühe als Schafe mit diesen gefrornen Fischen futtert, als welche sie gerne fressen: auch sogar kenne ich viele Pferde, die große Liebhaber davon sind.

Wenn der große Fluß gänzlich zugefroren ist; so ziehet man unter dem Eise auch wol Störe von 5 und mer Ellen hervor. Dieses Jar sind sie rar gewesen. Alle werden in besondern Aalfängen bei der Ebbe des Flusses in grosser Menge gefangen. Man hängt sie einige Tage in Rauch, und läßt sie hernach frieren. Die Karpen taugen nichts, und haben ein trocknes und faseriges Fleisch. Die Barse sind so gut wie bei uns. Die FlußHechte sind gar vortreflich und sehr groß. Forellen und Lachsforellen trift man in den Rapiden der kleinen Flüsse an. Krebse giebt es unterhalb Montreal nicht. Poissons dorés und Masquinonges sind eine besondre Art von 6 bis 8 pfündigen Fischen, die gar delikat schmecken, und in den Paroissen St. François und Masquinonge so häufig gefangen werden, daß man sie gefroren durch ganz Kanada versendet. Karauschen, Gründlinge, und Schmerlinge habe ich noch nicht gesehen. Überhaupt gibt es in Kanada keine Teiche, Heller, Heykasten; folglich auch keine FischMeisen und FischDiebe: wer die Kunst versteht, aus den Flüssen Fische zu fangen, ist Meister und Herr der Fische. Austern könnten wir wol eben so gut und schön wie in NeuEngland essen, wenn nur der liebe LaurentFluß erlaubte, solche unsern lüsternen Kelen zuzufüren. Heringe und Sardellen sind stets in Quebeck zu haben; denn es giebt daselbst Höker wie bei uns.

Man macht in Kanada einen besondern Zucker, der kanadischer Zucker heißt. Man hat 2erlei Art Bäume, wovon der beste Erable genannt wird, welche man järlich mit einer besonders dazu verfertigten Axt anbort, und vermöge einer in das Loch befestigten hölzernen Röre den daraus laufenden Saft in einen darunter gesetzten Trog auffängt. Dieser Saft wird gekocht, und gibt einen sehr gesunden und süßen Zukker, welcher in Milchsatten in Bodens gegossen wird, und dunkelbraun aber hart wird. Man kan ihn sehr gut zur Speise gebrauchen. Die Bäume wachsen wild unter den andern Bäumen; und ein Baum nimmt es nicht übel, 30 ja 40 Jare seinen Saft sich abzapfen zu lassen. Mein jetziger Wirt, Mr. la Fleche, ist jetzt über diese Arbeit aus, und hat im vorigen Jar 400 lb Zucker gemacht. Das lb gilt jetzt einen Hallifaxer Schilling, oder 6 Gge 5₰ nach unsrer Münze: in Friedenszeiten kan man das lb für 2 Gge 6₰ nach unserm Gelde kaufen. Schlechter ordentlicher Zucker kostet jetzt das lb 2₰ en gros gekauft, und also 12 Gge 11₰: sobald aber die Schiffe wieder ankommen, kan man ihn für 8 höchstens 10 Pence haben; und wird also um wenige₰ teurer wie im Braunschweigischen seyn. Der Kaffe ist nicht so hoch gestiegen, und man kan ihn, und zwar in sehr guter Sorte, noch das lb zu 6 bis 7 Gge haben. Guter Thee ist nicht teurer wie bei uns. Chocolade ist wolfeiler und besser, wie bei uns.

PapierMülen giebt es in Kanada nicht, Säge- und KornMülen aber genug. Wenn ich Dir sage, daß die Seigneurs Mülen haben, die im härtesten kanadischen Winter dennoch Tag und Nacht gehen: so wirst Du dieses vielleicht nicht glauben. Aber komm her, und siehe; ich will Dich in Mülen füren, die über warme Quellen in den kleinen Flüssen angelegt sind, in welchen die Räder inwendig der Müle laufen, und zu beiden oder einer Seite große Gewölber angebracht sind, in welchen ein sehr redoutables Ofenfeuer unterhalten wird, welches die Quelle in Circulation erhält! Ohne solche Mülen hätten wir diesen Winter kein Brod essen können. Dem Seigneur gehört allemal die Müle: sein Müller sitzt merenteils auf Rechnung; und jeder Habitant bekommt von 14 Minots Korn nur 13 zurück, und der Abfall bleibt dem Seigneur. Jeder Habitant einer Seigneurie muß bei schwerer Strafe in des Seigneurs Müle malen lassen. Übrigens giebt es eben so reiche Müller, wie bei uns. Aber Leinweber sind keine hier.

Sechster Brief.

Deine Feder ist, wie es scheint, eingefroren: dafür laß Dir was vom kanadischen Schnee erzälen. Es ist eine verdammt böse Sache in Kanada, daß die Winde offtmals, und wenigstens alle 3 Tage, im Winter so vehement etwa 12 Stunden wehen, daß sie den Schnee von einem Ort zum andern wegfüren, und nach und nach alle GrabenTiefen und Abgründe dermassen mit Schnee anfüllen, daß sie mit den Höhen nur einerlei Fläche auszumachen scheinen. So niedlich dieses auch aussieht; so halsbrechend ist es, ohne Kenntniß und Vorsicht alsdenn zu reisen. Man kann z. B. in Grund stürzen, in welchem man einige Teile des Leibs zerschmettert, oder in welchem man mit Pferd und Schlitten im Schnee auf einige Wochen lebendig begraben wird. Die Unvorsichtigkeit des Furmanns braucht nicht groß zu seyn; denn ein Fuß seitwärts kan schon ein solches heßliches Stück hervorbringen. So wie aber ein guter Büchsenmeister für alles Rat zu schaffen weiß; so ist auch hiezu Rat erfunden. Ein jeder Habitant ist verbunden, den Weg zwischen seiner und seiner zwei Nachbarn Habitations dermassen genau mit jungen Tannenbäumen abzustecken, daß solcher für 2 Kariolen breit genug ist, und an beiden Seiten die Bäumchen von 20 zu 20 Fuß stehen. In diesen künstlichen Alleen färt man sicher. Diese Wege werden unglaublich oft nach Beschaffenheit der Witterung und Umstände verändert, und werden jedesmal neu bezeichnet, und die Bäumchen der alten Wege ausgerissen. So gar werden die Wege auf den Flüssen, ja auf dem grossen LaurentFlusse, abgesteckt; und jeder, der eine gefärliche Stelle darauf antrift, ist verbunden, solche zu marquiren. Es ist daher ein besonderes Reisen in Canada, indem heute ein Weg auf der Höhe, und morgen vielleicht über den Fluß geht.

Man muß den Canadiern die Gerechtigkeit widerfaren lassen, daß sie keinen Fleiß sparen, die Wege durch Zäune zu sichern. Wegen der Ebbe und Flut ist es warhafftig kein Spas, in Zeiten, wo es nicht scharf friert, sich der Wege über die Flüsse zu bedienen: und man muß es wissen, ob man sich tief in den Fluß, oder nahe ans Ufer halten muß. Zur Zeit der Flut taugt es nicht, sich nahe gegen das Ufer zu halten. Das macht aber nicht viel, wenn ein Pferd einmal ums andre mit Einem Bein durch das Eis tritt.

Die Fußgänger können im Winter, ihrer Nase nach, über allen Schnee wie die Hasen weglaufen, wenn sie nur Raqueten unter die Füße binden. Diese Dinger haben die größte Änlichkeit mit unsern Raqueten, mit denen der Federball geschlagen wird; nur sind solche noch einmal so groß: man muß daher weit und schiefbeinig darauf wegschlurfen. Die englischen Regimenter haben sich diesen Winter fleissig darauf exerciren müssen; unsre Regimenter aber haben keine erhalten, weil noch nicht soviele haben verfertigt werden können. Jeder Habitant hat solche Maschinen, die ihm auch höchst unentberlich[1] sind, nur in seiner Nachbarschaft eine Promenade zu machen.

Der Capit. Fay von der königl. Artillerie, der zugleich Gen.Adjutant und MusterCommissaire bei der Armee ist, und vormals eine ganze Campagne in Deutschland unter dem Hrn. Gen.Maj. von Rhetz bei dem LeibRegiment gemacht hat, Dein alter Bekannter, hat eine große Kenntniß von NAmerika, und hat die englischen Kolonien in die Kreuz und Quer durchstrichen, und zwar mit sehr hellen und justen IngenieurAugen. Er ist Gouverneur von Hampshire gewesen, hat auch Güter in NeuEngland, die er aber der Rebellion wegen, so wie sein Gouvernement, mit dem Rücken anjetzt ansehen muß. Capit. Philipps ist wirklich OLieut. der Artillerie, hat aber durch eine expresse königl. Commission in diesem Kriege den Platz, Rang und Gehalt eines wirklichen Gen.Majors: er wird daher auch so genannt. Der Gen. Carleton hat gleichfalls in diesem Kriege wirklichen Gehalt, Rang und Honneurs eines Generals der Infanterie, ist aber nur Gen. Major in England.

Siebenter Brief.

Wir sitzen nun 4 Monate so zu sagen im Gefängniß, und völlig von allen Communicationen mit unsern benachbarten Staten abgeschnitten. Wir warten mit Schmerzen auf europäische Schiffe, um genaue und gewisse Nachrichten aus Europa zu erhalten, was vorigen Herbst in NeuYork, Jersei, und Pensylvanien, oder in unsern benachbarten Gegenden, vorgefallen ist: ist das nicht traurig? Der Winter ist zu gelinde gewesen, als daß alle Flüsse in den Wildnissen von NeuSchottland hätten zufrieren können: und folglich hat kein Mensch sich dieser Passage bedienen können, welche ausserdem in den besten Zeiten nur von einzelnen Menschen mit 100facher LebensGefar unternommen werden kan. Der LaurentFluß, der nur deswegen dickes Eis zu setzen scheint, um solches wieder zu zerbrechen, und sein Spiel mit dicken Eisschollen zu treiben, die er wie Berge türmet, und wie ein KartenHaus wieder auseinander fallen läßt, läßt sich durch keine Schiffe in diesem seinem halsbrechenden NaturSpiele stören: folglich ist auch hier der Paß verriegelt. Die Rebellen, welche noch im Besitz von Carillon sind (welches Fort die Wilden ganz recht Ticonderage, oder ins französische übersetzt, Cul de Sac nennen, weil es in dem Cul de Sac des Lac Champlain liegt), hemmen die Nachrichten, die wir von unsern Freunden, über Albany und auf dem HudsonFluße, aus den englischen NAmerikanischen Staten bekommen könnten. Es bleibt also nur noch Ein Weg übrig, durch den wir Nachrichten haben bekommen können; und dieser geht durch die Wildnisse hinter den englischen Kolonien, und läuft beliebigermassen einige 50 Meilen überhalb Niagara heraus: denn ein jeder Mensch, der diese Straße wandert, hat nicht allein das Recht, sondern auch die Notwendigkeit, sich seinen eignen Weg zu banen, der vielleicht durch keines Menschen Fußsolen wieder betretten wird.

Durch diesen Weg haben wir wirklich einige Nachrichten erhalten, die aber nach genauer Prüfung im Grunde nur in die Rubrike fliegender Gerüchte gehören. Ein sehr intimer Freund von mir, der Capit. W— vom 8ten englischen oder von des KönigsRegiment, welches seit 5 Jaren in Niagara, und den Environs von einigen 100 Leuken, in kleinen Forts liegt, der aber für seine Person gewissermassen unserm deutschen Corps attachirt ist, und mit mir stets auf Märschen und in Standquartiren in einem Hause logirt hat, hat mich zwar von Zeit zu Zeit mit Nachrichten, die er von seinen Kameraden aus Niagara erhalten hat, versehen, und sogar die Quebecker unfruchtbaren Zeitungen damit bereichert. Allein so manche Particularitäten auch diese verschiedene Nachrichten enthalten haben: so hat man deren Bestätigung noch vergebens entgegen gesehen. Der Gen. Carleton hat bis jetzt noch nicht die mindeste gewisse und umständliche Nachricht von der Armee des Gen. Howe erhalten. So viel ist indessen gewiß, daß im vorigen Herbst auf Long-Island, und nachmalen bei Kingsbridge, wichtige Affairen vorgefallen sind, in welchen die Rebellen wichtige Nachteile erlitten haben. Man glaubt ferner für gewiß, daß ein Teil der Howeschen Armee wirklich in Pensylvanien gerückt sei; und daß besonders die Quäcker von dem Congresse abgetreten wären. Hancock und Franklin, zwei wichtige Männer auf dem Congresse, haben sich aus dem Staube gemacht, und man glaubt, daß sie nach Europa gegangen wären. Der General Lee, einer der ersten feindlichen Generale, ist in seinem Quartire durch ein Detaschement der engl. leichten Reuter aufgehoben worden.

Unser nächster Feind steht zu 2000 Mann stark bei Carillon, und hat daselbst mit Mangel und Misere zu streiten. Die nächste Expedition, die wir machen werden, wird über den Lac Champlain auf Carillon gehen; und warscheinlich werden wir alsdenn auf Albany marschiren, und Gelegenheit bekommen, uns in NeuYork umzusehen, woselbst wir viele Anhänger, Freunde, und so gar eine ganze Menge Landsleute, haben. Hr. Iohannes Mackenna, ein Irrländer von Geburt, der aber in Löwen in den Niederlanden erzogen ist, und ein halber Deutscher ist, der eine katholische Gemeine in NeuYork wegen der Unruhen hat verlassen müssen, und hieher geflohen ist, wo er unsern katholischen Soldaten das Evangelium in der Wüste von Kanada prediget, und daher von Compagnien zu Compagnien reiset, hat mir sehr gute Beschreibungen von NeuYork gemacht, und versichert, daß der größte Teil von rechtlichen und angesehenen Einwonern gute Royalisten wären, die sich jezt aber nur leidend verhalten müssen.

Die Ruinirung der feindlichen Flotte auf dem Lac Champlain hat den Rebellen einen empfindlichen Stoß beigebracht; und Eine wichtige Schwierigkeit haben wir weniger zu überwinden. Unsere Operationen werden größtenteils zu Schiffe vorgenommen werden, zu welchem Ende ein jedes Regiment 25 Batteaux erhält, in welchen es sich selbst fortrudern muß. Sobald der Fluß nur offen ist, fangen wir das Exercitium mit unsern Leuten an, damit sie lernen, Divisions- oder Compagnienweise in einer Linie zu faren. Die Artillerie steht gleichfalls auf Batteaux, die geschwind zusammen gesetzt werden können, um Batterien daraus zu formiren.

Es ist hier eine besondre Art den Krieg zu füren, die von unserm System gänzlich abweicht. Unsre Infanterie kan nur zu 2 Mann hoch agiren, und ein Mann muß von dem andern 18 Zoll Distance haben, um in Wäldern und Gebüschen in einer Linie marschiren zu können. Cavallerie können wir hier gar nicht gebrauchen, und unsre Dragoner müssen sich daher auf ihre Beine verlassen. Unsre Fanen incommodiren uns sehr, und kein englisches Regiment hat welche mitgebracht. Ein jedes engl. Regiment hat eine besondre Grenadier- und leichte InfanterieCompagnie, welche combinirte Bataillons formiren, die von großem Nutzen sind. Das Corps kanadische Volontairs unter kanadischen Officiers ist nicht zu verachten.

Den Wilden ist wegen ihrer angebornen Bestialität nicht zu trauen. Sie sind höchst brav, aber auch höchst zügellos, und müssen daher mit englischen oder kanadischen Officiers durchspickt werden. Sie wünschten jezt sehr, unabhängig, und nicht unter dem Commando englischer Generale oder Officiere, als treue Bundesgenossen und Freunde des Königes zu fechten: und ein Iroke, Namens Josef, der so gar sich eine Zeit in England aufgehalten hat, und das Interesse der Engländer und Wilden ganz natürlich richtig kennt, sucht seines Namens Gedächtnis als Chef einer Armee von Wilden vorzüglich zu stifften. Man wird dieses aber auf alle Art zu decliniren suchen: denn Gott sei alsdenn den Kolonisten gnädig, die ihre Nachbarn sind. Die Wilden sind gar närrische Käuze, die von einem Extremo aufs andre fallen. Ich bin in Loretto gewesen, einem alten Wonplatze desjenigen Teils von Huronen, die sich vor mer als 80 Jaren zum Christentum begeben, und zu einer regulären Bebauung des Feldes und zur Viehzucht sich bequemt haben: allein mit Verwundrung bemerkt man, wie steif und fest sie noch an den alten Gewonheiten ihrer Voreltern kleben. Ihre Kirche ist sonderbar, und ohne alle Stüle und Bänke: dagegen ist sie mit selbst gemachten hölzernen Heiligen angefüllt, die, sie mögen Hebräer, Römer, Griechen, oder von neuen europäischen Nationen gewesen seyn, sich jetzt als Wilde in wilder Tracht zeigen, und auf allerlei schöne Arten bemalt sind. Den guten Petrus mit seinen Schlüsseln und seinem bemalten Gesichte werde ich nicht leicht vergessen.—Ich könnte Dir noch possirliche Geschichtgen von dem auf viele 100 Meilen unter den Wilden verehrten Fürsten Athanas, der hier selbst residirt (welchem der RegimentsFeldscher Br— einen alten Beinschaden curirt hat, und deswegen äskulapisirt ist), wie auch von dessen Prinzen und dessen Oberhofmeister, auch von dessen 3 Prinzessinnen Töchtern erzälen: allein das StundenGlas ist ausgelaufen. Empfiel mich . . . ., und glaube, daß Du in allen meinen Briefen ein Epistelchen besonders für Dich antreffen wirst.

Achter Brief.

Wir liegen noch heute, den 13 Apr., in unsern alten WinterQuartiren stille, ohnerachtet wir schon seit 3 Wochen uns in Marschfertigem Stande halten. Von der Witterung hängt allhier in Kanada alles ab; und diese ist seit 4 Wochen von unglaublichen Abwechslungen gewesen. Den 5 und 6 März hatten wir eine penetrante Kälte; den 7 den angenemsten FrülingsTag; vom 7-16ten anhaltendes Tauwetter, und so warme Tage, daß alle Eisbrücken über den grossen Fluß weggingen, und der Gen. Carleton Mühe hatte, von Montreal wieder nach Quebeck gehen zu können. Vom 16-20sten war das Wetter unfreundlich, aber nicht kalt. Den 20 und 21 fiel wieder Schnee zu 2 bis 3 Fuß hoch. Den 25 März fieng es wieder an so hefftig zu schneien, daß sogar der große Fluß wieder Brücken ansetzte. Die Stille Woche und die 3 OsterTage continuirte die Kälte dermassen, daß sie selten im WeihnachtsFeste grösser bei uns seyn kan. Große respectable Nordlichter zierten alle Abend den Himmel. Den 3 und 4 April fiel wieder sehr viel Schnee, und es fror herzhaft. Den 5 war es nur mäßig kalt. Den 6 des Abends fieng es stark zu regnen an. Den 7 hatten wir schwere Gewitter, und es taute mit Macht. Den 8 und 9 blieb es bei einem gelinden Tauen. Den 10 schien die Sonne so heiß, daß man Türen und Fenster den ganzen Tag aufmachen mußte: die Nacht hatten wir ein formidables Gewitter. Den 11 war es naßkalt. Den 1 hatten wir viel Wind, und heute als den 13 April, an welchem den ganzen Tag der heftigste NWWind hauset, kan man die Zimmer kaum wärmen; und der Erdboden ist wieder so hart vom Froste, wie ein Stein. Wie kan eine Armee bei solchen Umständen sich in Marsch setzen, die eine Menge von Flüssen, Loben, und execrablen Wegen zu passiren hat?

Das Geprassel des LaurentFlusses ist heute gewaltig groß: der heftige Wind hat den Fluß in völlige Wut gesetzt, und er sprengt die abscheulichsten EisStücke los, die über einander weg culbutiren, und auf dem Flusse zu tanzen scheinen, Berge formiren, und wieder einstürzen. Dem ohnerachtet, liebster Bruder, giebt es Menschen, die es wagen und wagen müssen, mit Canoes über den Fluß zu faren. Es ist sehr lästig für unser Regiment der Brigade gewesen, daß 2 Comp. des Regts Specht, und 1 des Regts von Rhetz, auf der SüdSeite in 5 Paroissen diesen Winter ihre Quartire gehabt haben, und Ordres und Provisions von der NordSeite haben erhalten müssen. Es ist in unsrer Gegend jedoch Gottlob! noch kein Mensch verunglückt. Noch bis jezt, da ich dieses schreibe, hat uns Gott auch vor Krankheiten bewart, und seit 3 Wochen ist von 2 Rgtern nur 1 Mann gestorben. Desertion ist platterdings nicht möglich in Kanada, und keinem Kanadier fällt es ein, einem Deserteur durchzuhelfen.

Unsern . . . habe ich verschiedenmale in TroisRivieres und hier in St. Anne gesprochen, und sonst ununterbrochen mit ihm correspondirt. Wir geben uns beide viele Mühe, Decouverten zu machen, und Kanada recht auszustudiren. Dieses ist aber äusserst schwer; und es ist unglaublich, wie dumm die Kanadier in der Kenntnis ihres eigenen Landes ind. Wir wissen gewissermassen schon weit mer: und G— wird noch dahin kommen, eine schöne Topographie von Kanada schreiben zu können.—Das Grenadier-Bataillon liegt über 30 Leuken von uns, also habe ich nur erst 2 Officiers davon gesprochen.

N.S. Heute, den 20 Apr., kommt die Nachricht, daß das englische Schiff London die Ordre hat, sich in segelfertigen Stand zu setzen, und sobald möglich nach Europa abzusegeln. Die Briefe müssen also geschlossen werden, um zeitig genug nach Quebeck abgeschickt werden zu können. Ich fange aber gleich wieder einen neuen Brief an, der für das zweite abgehende Schiff bestimmt wird. Diesen Sommer, hoffe ich, sollst Du viele Briefe von mir erhalten. —Da es nun im Ernst anfängt zu tauen, so werden wir wol in etwa 10 Tagen uns in Bewegung setzen. Vor einigen Tagen ist der Fändrich v. B— in einem Wasser, das nicht breiter wie die Ocker ist, ertrunken: ich weiß noch nicht, wie es eigentlich zugegangen ist.—So eben trift der brave Cap. Mackay, der mit 25 Wilden, durch die Wälder hinter Crownpoint und Carillon weg, bis an den Lac Sacrement gegangen ist, und über 7 Wochen auf dieser Recognoscirung zugebracht hat, allhier ein, um nach Quebeck zu gehen. Er hat ein Detachement von 16 Offic. und 23 Mann ausgehoben; und von diesen haben einige ausgesagt, wie ein heßisches Regiment surprenirt, und teils gefangen teils getödtet wäre. Dagegen geht alles in Pensylvanien nach Wunsche; und es ist war, daß die Rebellen im vorigen Jare in NeuYork und Jersey heßlich zugerichtet worden. Die Hessen sollen bei einigen Gelegenheiten gewaltig gemetzelt haben, und keinen Pardon geben wollen, weil man Schwierigkeiten gemacht, ihre Gefangne auszuwechseln. Lebe nochmals wol &c.


Hier sind leibhaft die Scritofinni Pauls des Longobarden: siehe Ihre’s Glossarium unter dem Worte Skida. S.

Vertrauliche Briefe aus NeuEngland[1]

Cambridge, vom 15 Nov. 1777—10 Okt. 1778.

Endlich sind wir nach Cambridge gekommen, allwo wir unselige Mitteldinge zwischen Freien und Unfreien sind. Ob wir in die Litanei gehören, oder nicht? überlassen wir unsern Freunden und Freundinnen zur Überlegung, um an nächstkommendem Bußtage, bei einer gewißen Stelle der Litanei, unsrer nach Belieben mehr oder weniger eingedenk zu seyn. In beiden Fällen tun sie uns nicht ganz unrecht. Wollte einer schreiben, daß es ihm hier recht gut gienge: so würde das eine häßliche Lüge seyn. Wollte aber auch einer durch sein Klagen ihr Mitleid bis zu Zären erwecken wollen: so würde ich wenigstens ihre Augen und ThränenTücher bedauern. Die Hrn. Amerikaner, die wir der Politesse wegen nicht mer gerne so öffentlich Rebells oder Jenkys nennen, wissen offt selbst nicht, zu welcher Klasse von Menschen wir wol eigentlich in ihrem State gehören. Wir sind zwar ziemlich eingeschrenckt, und man hat uns sehr deutlich einen Krais, den wir nicht übertreten sollen, vorgezeichnet, und uns widrigenfalls etwas von Wachtschiffen und Todtschießen vorgesprochen. Allein in unsern Pfaldörfern lassen wir uns an der uns anklebenden Freiheit in Ansehung unsrer wenig abgehen, und spielen noch dann und wann den Herrn mitten unter unsern Siegern.

Sie mögen wol neugierig genug seyn, um genau wißen zu wollen, wie wir eigentlich auf die Hohe Schule zu Cambridge gekommen sind, in welcher die Hrn. Studenten in dem wolgebauten Collegio Herwardino wonen, mit possirlichen SchlafRöcken in die Collegia gehen, und 3mal des Tags zum Breakfast, Dinner und Supper geläutet werden. Allein Papier und Dinte sind hier zu teure Sachen, als daß ich mich auf solche genaue Erzälungen, vom 1 Sept. biß jetzo, einlassen könnte. Ihnen ins Ohr gesagt, so weiß ich selbst kaum, wie uns das Unglück hieher gefürt hat: denn es ist eine Sache, von der bereits vieles gedacht, geredet, und geschrieben ist; und von der vielleicht noch mereres gedacht, geredet, und geschrieben werden möchte. Wollen Sie mir aber auf mein Wort glauben: so können Sie versichert seyn, daß die Armee und deren Betragen nicht daran Schuld gewesen ist; und daß sie, ohnerachtet ihres erlittenen Unglücks, anderen noch zur Zeit glücklicheren Heeren frei und dreist wieder in die Augen sehen kan. Unsre Armee kan eben so wenig den Heerfürer anklagen, sondern glaubt, daß er sein Betragen vor dem Könige, seiner Nation, und auch vor der Welt, rechtfertigen wird. Vielleicht wird aber die Bahn, die wir diesesmal über Seen, Flüße, Berge, durch Wälder und Wildniße, betreten haben, unsre Nachfolger vorsichtiger machen, sie entweder nicht wieder oder unter ganz andern Vorkerungen zu wälen: und dazu können wir ein kleines praktisches Compendium liefern.

Mein lezter Brief an Sie endigte sich mit der unglücklichen Affaire bei Bennington[2]: seit der Zeit ist es uns nicht möglich gewesen, eine Zeile nach Europa zu schaffen. Ohnerachtet wir das freie WeltMeer auch jezt noch dichte vor der Nase haben, und aus solchem zum Warzeichen gewaltig schöne große und fette Austern (die Sackweise gekauft werden), Cabeljaus, Schellfische, und andre dergleichen ganz gute Fische essen; auch dieses Meer eine ganz gute Communication bis auf den heutigen Tag erhält: so weiß ich doch noch nicht, wie ich diesen meinen Brief an meine Freunde an der Ocker gelangen lassen soll. Hätte ich bei Schließung der Capitulation etwas mit zu sagen gehabt: so hätte dieses der 14te Artickel seyn sollen; und so fiele das Spiel des Witzes mit 13 Artickeln und 13 vereinten Provinzen weg.—Seit dem April dieses Jars haben meine Augen auch kein Schreiben von Ihnen gelesen. Richtig ist der von Ihnen freundschaftlich besorgte Wein aus Niedersachsen bis Carillon gekommen; aber er hat keine elende 36 engl. Meilen näher zu und bis nach Fort George gelangen können, wo wir ihn sonst, ungeachtet des äußerst heißen Wetters, gerne hätten debarquiren helfen wollen.

In der Affaire bei Bennington sind wirklich todt und geblieben: der Obr. Baum, Rittmeister Reineking, Capit. von Schieck, Lieut. Mühlenfeldt, und Fändr. Hagemann: der Lieut. d’Annieres jun. ist wenige Tage darauf in der Gefangenschaft an der roten Ruhr gestorben. Die Lieuts. Breva und Gebhard sind schwer blessirt und gefangen: der Cornet Stutzer, Fändr. Specht, und Pastor Melsheimer, sind leicht blessirt und gefangen. Der Major von Bärner und Lieut. Hannemann haben sich zwar gerettet, allein ihrer schweren Blessuren wegen sich nach Kanada bringen lassen. Der Obr. Breymann und die Capit. von Geusau und von Gleissenberg waren blessirt, lezterer schwer. Mit ganzer Haut sind damals gefangen: Maj. von Meibom, Rittmeister von Schlagenteuffel jun., die Capit. von Bärtling sen., Dommes, und O’Connell, die Lieut. von Reckrodt, von Bothmar, Meyer, und Burghoff, und die Cornets und Fändriche Gräf, Schönewald und Andrä. Diese Officiers liegen noch in der Gegend von Westminster, und sind daselbst in Habitationen verteilt.

Diese Affaire hat uns viel Schaden in der Folge verursacht. Wir mußten in unsern glücklichen Schritten Halte machen: das feindliche Magazin bei Bennington entgieng unsern schon ausgestreckten Händen; und wir mußten wieder Recursum zu unsern Mehl- und SalzfleischTonnen zu Fort George nemen. Unsre Armee blieb bei House-Duar[3] stehen, und der Gen. Maj. von Riedesel mußte mit einem Corps seine Position bei House-Jones nemen. Alle Regimenter bekamen nun schwere und ununterbrochne Arbeiten, alle Bedürfnisse zur weitern Campagne, nebst den Batteaux, um die vielen zwischen Fort George und Saratoga befindlichen Rapiden zu bringen, welches wegen Mangel an Pferden und Karren eine verdammt beschwerliche Arbeit war. Meine liebe Herrn! es war im August, und in der heißesten JaresZeit, und in den Zelten konnten wir stillsitzend kaum Odem holen; die Dysenterie wütete unter uns: das Leben zu erhalten, mußte aber dennoch gearbeitet werden. Fast glaube ich, uns Unglücklichen zu Ehren werde zwischen Ticonderoga und Albany noch ein Stein mit der Inschrift: Vestigia me terrent, errichtet werden.

Der Feind gewann durch diesen für ihn glücklichen Coup nun Zeit, 3 Brigaden an sich zu ziehen. Der Gen. Gates, der Liebling der NeuEngländer, übernam das Commando. Die Bauern ließen ihren Pflug stehen, der Schmidt den Ambos; dem folgte der Schuster und Schneider &c., und aus allen Provinzen NeuEnglands kamen MilitzRegimenter anmarschirt. Die feindliche Armee wuchs in 14 Tagen zu 14000 Mann an. Der Gen. Arnold wurde dem Obr. St. Leger entgegen geschickt, der eben Fort Standix am MohocFluße belagern wollte. Das Gerücht blies mit vollen Backen die Unwarheit vor Arnolden her, daß unsere ganze Armee bei Bennington geschlagen wäre. St. Leger, der sich ohnedem für sich selbst nicht in den besten Umständen befand, zog sich nach Oswego zurück.

Der Gen. Burgoyne entschloß sich, seine Armee zusammen zu ziehen, um dem Feinde, der schon von Stillwater wieder vorgerückt war, entgegen zu gehen; und die Armee war mit seinem Entschluße zufrieden und vergnügt. Alle nur irgend zu entberende Sachen wurden auf die DiamantInsul im Lac George geschickt. Und daher kommt es, daß ich am heutigen Tage einen höchstzerrißnen Rock und mitleidenswürdige Hemder tragen muß, und überhaupt gar erbärmlich equippiret bin. So aber geht es uns allen.

Den 11 Sept. setzte sich unsre ganze Armee gegen den Feind wieder in Bewegung.

Den 13, 14, 15ten passirten wir nach und nach über eine Batteaux-Brücke den Hudson, und die Rebellen zogen sich nach Stillwater zurück. Nun ging die Arbeit mit unserm lieben Salzfleische und Mehle wieder an. Meine lieben Freunde! verachtet ja diese königl. Speisen nicht, die damals auf der Stelle warhaftig königliches Geld kosteten, indem der Transport von England bis hieher nicht wenig kostbar gewesen seyn mag. Pork mittags, Pork abend, Pork kalt, Pork warm. Freunde! ob Ihr gleich damals, bei euern grünen Erbsen mit Krebsschwänzen, unser Pork mit Ekel angesehen haben würdet: so war uns dennoch Pork eine herrliche Speise, ohne die wir verhungert wären; und hätten wir nachmals Pork genug gehabt, so hätte uns das Wetter vielleicht nicht nach Boston gefürt.—Unser Hospital mußte uns auch folgen, denn sonst hätte es der Feind erwischt. Von aller Communication mit dem Lac George, Ergo mit Carillon, Ergo mit Canada, wurde nun Abschied genommen.

Den 15 Sept. namen wir eine Position bei House-Dovogot, labten uns auch einmal an gutem Zugemüße, und schliefen sämtlich auf Stroh: denn in den Feldern lagen große Haufen davon, und es schadete uns nichts, daß die vollen Ähren daran waren. Diese Glückseligkeit ist uns diesesmal zum erstenmale in Amerika widerfaren.

Den 16 recognoscirten wir den Feind mit verschiedenen Regimentern, ließen verdorbene Brücken und Wege repariren, und giengen 17ten 2½ engl. Meilen weiter bis nach Soarts-House.

Den 18 sträubte bereits der Feind die Hare, wie wir merere Brücken repariren lassen wollten. Zuletzt mußten wir ihm die Ehre erweisen, ganze Regimenter zur Bedeckung der Arbeiter vorrücken zu lassen.

Den 19 Sept. rencontrirten sich beide Armeen einander im Marsche. Die Gegend, die aus lauter waldigten Hügeln, Ravins, Morästen, Cloituren &c. bestand, gab zu wunderbaren Abwechslungen Anlaß. Wegen solcher Hinterniße nam unsre Armee eine Fronte in ihren verschiednen Colonnen von 2½ engl. Meilen ein. Der linke Flügel, der aus den deutschen Regimentern, aller schweren Artillerie, und dem 47sten engl. Regiment, unter dem Gen. Maj. von Riedesel, bestand, kam sobald nicht in das Gefechte; denn er marschirte in einer Plaine am Hudson. Unsre Grenadier und leichtes Infanterie-Bataillon waren dagegen am rechten Flügel bei dem Fraserschen Corps, und hatten an der Schlägerei Anteil. Besonders hatte der ObrL. Breymann das Glück, dem Feind, der eben das 24ste engl. Regiment in der Klemme hatte, in einer dessen Flanken so grob zu begegnen, daß er sich diesem Grenadier-Spaaße eilfertig entzog. Der ObrL. Breymann, der in diesem Augenblicke die Communication des Fraserschen Corps mit der Armee sicherte, erwarb sich dadurch ein besondres öffentliches Lob. Sein Bataillon verlor nur wenige Todte und Blessirte.—Um 3 Uhr Nachmittags kam es im Centro, zwischen dem 9, 20, 21, und 62sten engl. Regimente, unter dem Brigad. Hamilton, und dem Feinde, zum recht lebhaften Gefechte. Das Feur riß gar nicht ab, der Artillerie Capit. Johnson unterstützte die engl. Brigade mit einer Brigade Artillerie, und der alte ehrenveste Major Williams brachte aus dem schweren Parc, mit vieler Mühe und Fluchen, über die Berge noch einige Donnerer hin. Der Feind dagegen ließ eine frische Brigade nach der andern anrücken. Die Brigade von Hamilton hat sich sehr brav gehalten, und, ohnerachtet sie einige male reculiren müßen, hat sie sich doch bald wieder gesetzt, und ihren Posten siegend wieder occupirt. Endlich ließ der Gen. Burgoyne den Gen. von Riedesel ersuchen, ihm und der Hamiltonschen Brigade mit so viel Truppen zu Hülfe zu eilen, als er von seinem linken Flügel nur entberen könnte. Der Gen. von Riedesel übertrug dem Brigadier Specht das Commando des linken Flügels, um dem gegen solchen bereits aufmarschirten Feind Téte zu bieten. Riedesel nam die 2 linke Flügel Compagnien des Reg. von Rhetz unter Commando des Capit. Fredersdorf, und sein eigen Regiment, auch zwei 6Pfünder unter dem Hessen-Hanauischen Capit. Pausch, poussirte seine Ankunft, traf die Brigade von Hamilton in lezten Zügen und in einer Retirade an, fiel aber dem Feind glücklich in die Flanke, und der Capit. Pausch machte ein mörderisch KartetschenFeur in denselben. Die auf das neue belebten englischen Regimenter setzten sich, schrien ein frohes Hurra, und giengen von neuem wütend auf ihren Feind los: der Feind floh, und überließ uns den Wahlplatz, und folglich alle Rechte eines Siegers. Die Sonne gieng gleich darauf unter, also hörte das Gefecht auf, und die Nacht entzog uns die Fliehenden.

Die heutige Action hat eines armen Bauern Habitation berümt gemacht; denn sie hat den Namen der bei Freemans-House angenommen. Unser deutsches Corps hat keinen todten noch blessirten Officier erhalten, und in allem nur 18 Mann an Todten und Blessirten verloren. Das 62ste engl. Regiment hat sehr viel eingebüßt: von 300 Mann, die es ungefer stark gewesen seyn mag, sind 3 Offic. 1 Unteroff. und 49 Gemeine auf dem Platz geblieben, und 8 Offic. 9 Unteroff. und 92 Mann sind verwundet. Überhaupt sind 10 engl. Officiers geblieben, worunter der brave Artillerie Capit. Johnson, und der Capit. Monnin von den Volontairs Canadiens, dessen 11järiger Sohn seinem Vater zu Seite gefochten.—Unsre arme Blessirte wurden in den Grund am Wasser gebracht. Es waren keine Häußer vorhanden, um sie aufzunemen, auch nicht Hände genug, sie alle zu verbinden. Sie mußten also die Nacht, in der es bereits bitterlich kalt war und fror, unter freiem Himmel liegen, bis man des andern Tags Zelte für sie aufschlagen konnte. Dies gehört unter die warhaften amerikanischen Übel, für welche aber weder Mittel noch Rat ist.

Den 20 Sept. namen wir eine Position so nahe wie möglich an des Feindes verschanztem Lager, in welchem sich derselbe wieder gesetzt hatte. Waldungen und Ravins schieden uns von einander.

Den 21 Sept. wollte er uns nicht erlauben, Ouverturen bis zu und über unsre Piquets durch den Wald zu hauen: darüber setzte es Händel, die aber unbedeutend waren. Von dieser Zeit an, rückten wir alle Morgen 1 Stunde vor Tage aus, und genoßen die frische MorgenLuft, die in einem starken Reif und sodann in einem Nebel bestand, den man warhaftig mit Händen greifen konnte, und der selten vor 9 Uhr Morgens verschwand. Am Tage war eine Hitze, bei der man hätte zerschmelzen mögen.—Wir verschanzten das Lager, alle Wachen und Piquets, zogen eine Linie um das Lager, und garnirten solche mit Redouten und Batterien. Auch hinterwärts dem Lager legten wir zwei große Redouten zur Verteidigung des Magazins, Trains, und des Hospitals an. Mit einem Worte, das Lager wurde eine Kopei von dem zu Croffdorff 1759. Hierauf ließen wir viel tausend Stück Bäume umhauen, um das Geschütz desto nachdrücklicher gebrauchen zu können, und ihm einen freien SpielRaum zu verschaffen. Nun riß Mangel an vielen Dingen ein; denn von Carillon aus konnten wir nichts erhalten, in dieser Wüste war nichts vorhanden, und von Albany aus wollte uns der Feind nichts zukommen lassen; 1 Bout. schlechter roter Wein kostete 2 Rthlr. 8 Ggr. nach unserm Gelde, und 1 Pfund (28 Lot) Kaffe, so wie auch Zucker, mußten mit 1 Rthlr. 22 Ggr. bezalt werden. An KleidungsStücke war gar nicht zu gedenken, und man riß doch täglich in diesen Wildnissen vieles ab.—Nie können die Juden Epochen gehabt haben, ihren Messias sehnlicher zu erwarten, wie wir die Ankunft des Gen. Clinton, den der Gen. Howe zu uns detaschiren sollte, um uns von vorne Luft zu machen, und den Feind von hinten zu bedrängen. Eine fliegende Nachricht nach der andern lief zwar bei uns von seiner Ankunft ein; allein es waren leider nur Gerüchte, die jedoch uns mit Hoffnungen noch erhielten. Der Feind hatte unter der Zeit eine Expedition unter dem Gen. Lincoln auf Carillon gemacht, hatte 4 Comp. des 53sten Regiments bei der SägeMüle daselbst sürprenirt und gefangen, war aber mit vielem Verluste von Carillon selbst, so wie von der DiamantenInsel, abgewiesen worden, so daß er in optima forma geschlagen war.—Unsre Provisions namen ab, und der Soldat mußte sich täglich ½ lb. Brod und ½ lb. Fleisch abziehen lassen, welches er mit Gedult ertrug. Der Feind, ohnerachtet er uns 4mal mer Soldaten entgegen stellen konnte, bezeigte keine Lust uns anzugreifen. Zurückzugehen schien dem Gen. Burgoyne zu hart zu seyn; in Albany hatten wir gewiß Freunde, die für uns schon die Waffen parat hielten: der Gen. entschloß sich also, den Feind anzugreifen. Wir konnten ihm nur in der Flanke beikommen: und um teils Wege dahin für die Colonnen und Artillerie zu hauen, und den Feind zu recognosciren, wurde

den 7 Oktob. eine Expedition mit 1500 Mann Commandirten der Armee unternommen, wozu verschiedene schwere Kanonen stießen. Der Gen. Burgoyne, und die Gen. Phillips und Riedesel, auch der Brigad. Fraser, giengen mit: alle Regimenter der Armee trugen ihr Quotum dazu bei. Die im Lager zuruckbleibende Brigadiere ruckten mit den übrigen Truppen in die Verschanzungen des Lagers, um solche auf das lebhafteste zu verteidigen, falls der Feind uns etwa selbst angreifen sollte.—Nachmittags gegen 3 Uhr wurde der Feind aus verschiedenen Posten vertrieben, und bei Weissers Haus marschirte das Corps auf. Der Feind hielt sich geruhig, und Waldungen bedeckten ihn. Der Gen. Burgoyne wollte die Recognoscirung noch fortsetzen, als der Feind auf einmal um 4 Uhr auf die engl. Grenadiers stürzte, die den linken Flügel hatten, solche en Fronte & en Flanque attaquirte, und sie nach heftigem Widerstand zum Weichen brachte. Am rechten Flügel, wo die engl. Commandirte der Regimenter standen, geschah das nämliche: und nun gieng der Angriff auf das Centrum, wo der Obr. von Specht commandirte, dessen Flanquen aber nicht mehr gedeckt waren. Er hielt sich noch lange: weil aber der Feind mit Regimentern von allen Seiten erschien, so war an nichts wie an eine allgemeine Retirade zu gedenken. Ein erbitterteres kleines GewerFeur kan man nicht gedenken. Der Hessen-Hanauische Artill. Capit. Pausch hat mir nachmals erzält, wie unsinnig die Feinde auf die mit Kartätschen unter sie spielende Kanonen gestürzt sind. Ohnerachtet er selbst 2 Sechspfünder verloren: so ist er doch wegen seiner desperaten Hitze in Affairen zu bekannt, als daß man ihn in den Verdacht einer leeren Entschuldigung nemen könnte. Der alte Major Williams, der in seinem ganzen Wesen einem ehrwürdigen 12Pfünder gleicht, und keine Kreatur in dieser Welt mer wie 12Pfünder liebt, und sich seiner Lieblinge gewiß sehr wol zu bedienen weiß, hat mit Pausch einerlei Schicksal gehabt: nur mit dem Unterscheide, daß er bei seinen 12Pfündern auch selber gefangen ist. Der alte Isegrim soll damals bitterlich geweint haben! Das Ende der unglücklichen Geschichte von heute war, daß das ganze Detaschement sich nach der Flucht umsah, und meist alle Kanonen verloren giengen. Das geschlagene Corps warf sich in das große Retranchement des Fraserschen Corps: und ohnerachtet der Feind alle Versuche machte, mit hinein zu dringen, und solches zu ersteigen; so wurde durch lebhafte Gegenwer doch dieser sein Versuch unnütz gemacht.

Aber es stand uns leider noch ein andres Unglück bevor. Bellona lief heute rasend verliebt den Jenkys nach; und Mars mochte heute seine üble Laune haben, und darüber unsrer vergeßen, oder sich zu sehr auf den alten Williams mit dessen 12Pfündern verlaßen haben. Das Frasersche Corps u. das des Obr. Breymann waren durch einen Grund oder Ravin von einander abgesondert, und beide Corps standen auf zwo verschiednen Anhöhen. Der Grund, in welchem Freemans-House lag, war mit Canadiern und Provinzialen besetzt. Das Corps des Obr. Breymann deckte die ganz rechte Flanque der Armee, und stand also en Potence. So wol dieses Corps wie die Kanadier hatten ihr Quotum zu dieser Expedition gegeben: und weil nach der Affaire bei Bennington das Gren. und Jäger-Bataillon ohnedem sehr schwach waren; so war das ganze Corps nach seinem zur Expedition gegebenen Quoto kaum 200 Man stark. Statt daß das geschlagne Corps einen Teil in die Breymannschen Verschanzungen hätte werfen sollen; so lief vielmer alles nur in die Fraserschen Verschanzungen. —Der Obr. Breymann wurde von vorne attaquirt, wehrte sich aber lebhaft: jedoch der Feind überwältigte den Posten im Grunde, und fiel nun seit- und rückwärts in die Breymannschen Verschanzungen. Breymann stürzte bei 2 Kanonen todt zur Erde: sein Corps wurde zersprengt, jedoch warf sich der größte Teil davon noch rückwärts in ein Holz, durch welches sich solcher nachher zu dem Fraserschen Corps begab. Der Feind erbeutete einige Kanonen, steckte die Zelte in Brand, und plünderte das Lager. Die Nacht brach ein, und Bellona gieng geschwind mit einem jungen Rebbel zu Bette.— Außer dem Obr. Breymann hat das deutsche Corps an Officiers verloren: den rechtschaffnen Cap. Fredersdorff, meinen lieben alten Freund, der einige Zeit nachher an seinen Wunden gestorben. Der Lieut. und Adjut. Bode hat gleiches Schicksal gehabt. Der Cap. von Dahlstjerna hat einen gefärlichen Schuß durch das rechte Bein bekommen, wodurch ihm beide Rören sind geschmettert worden: er liegt in Albany, und sein Character verdient, daß jeder seine Widerherstellung wünscht [er starb zu Albany den 23 Dec.]. Der Cap. von Gleissenberg ist abermals schwer in den Leib blessirt; und die Lieut. von Meyer aus Nürnberg, und Cruse von den Jägern, sind leicht blessirt. Ein Fändr. von Geyling vom Regt. Hessen-Hanau ist geblieben. Der Obr. von Specht, Cap. von Geisau, und die Fändr. Haberlin, Denicke, und Graf von Rantzau, sind gefangen.—Noch hat die Armee an dem braven Brigad. Fraser einen reellen Verlust erlitten: dieser Mann ist Tags darauf an seinen Wunden verschieden. Sir Francis Clarke, Cap. und erster Aide de Camp des Gen. Burgoyne, der noch vor wenigen Jaren in Göttingen studirt hat, ist geblieben. Der Maj. Ackland, Commandeur des engl. Gren. Bataillons, ist abermals bleßirt und gefangen worden. Seine Gemalin, eine geborne Mylady, die die ganze Campagne in einem Zelte mitgemacht, ist seine getreue Gesellschafterin. Beide Personen, deren beiderseitige Eltern noch leben, haben bereits schon jetzt järlich Revenüen von 20000 Pf. Sterling zu verzeren. Der Aide-Major Blomfield von der Artillerie, und der Cap. Green Brigade Major beym Gen. Phillips, sind blessirt. Sonst sind noch verschiedene andere Officiers todtgeschossen, blessirt, oder gefangen worden.—Die Nacht wurde angewandt, die Zelte abzubrechen, und die Bagage zurück zu schicken.

Den 8 Okt. machten wir nur einen feinen Menuet-RückPas, und wiesen dem Feinde unsre Zäne und Klauen, und taten ihm Schaden mit unsern Kanonen. In der Nacht zogen wir uns aber mit englischen Pas zurück, und langten abends bei Saratoga an. Schlechte Wege und erbärmliches Wetter spielte dem Feinde einige Kanonen und Bagage zu.

Den 10. des Nachmittags erschien der Gen. Gates mit der feindlichen Armee, und setzte sich auf den Höhen bei der Kirche von Saratoga. Der Fishkill schied ihn allein von uns, durch welchen Fluß man aber sehr bequem waten kan.

Den 11. gieng er mit einigen Brigaden durch den Fishkill, Mylord Balcarris aber kanonirte ihn mit Verlust zurück. Doch hatte er uns unsre Batteaux, etwas Provision, und andere Dinge genommen, und 1 engl. Officier mit 40 Mann zu Gefangnen gemacht.— Den 11., 12., und 13ten hörte das Kanoniren auf einander, und das Feuern beiderseitiger Vorposten, nie auf. Der Feind schrenkte uns vermöge seiner Übermacht so ein, daß uns die Luft immer enger wurde, und

den 14 Okt. kein Weg zu einer weitern Retirade mer übrig blieb. Unsre Provisions namen so ab, daß wir einer HungersNot entgegen sehen mußten. Des Feindes Position war nicht allein stark, sondern er war uns auch 4mal überlegen. Schlügen wir ihn auch gegen alle Warscheinlichkeit, so war doch unser Zustand in Ansehung des Magens nicht dadurch gebeßert. Ihn in einem Odem bis über Albany zu peitschen, war gar nicht zu vermuten. Uns wollte der Feind die Ehre nicht erzeigen, uns anzugreifen: denn er hoffte in wenig Tagen, ohne Blutfluß, alles durch Hunger zu zwingen. Uns mit Zurücklassung aller Artillerie und Bagage einen Weg mit dem Bajonette in die nächsten Wälder zu banen, war noch das einzige Mittel allenfalls, um durch fürchterliche Wildniße nach Carillon zu gelangen: allein es war zu sichtbar und gar zu gewiß, daß der allergrößte Teil von uns alsdenn im schrecklichsten Elende auf dieser Reise, und ohne alle nur zu erdenkende Resource, seinen Geist hätte aufgeben müßen. Wir suchten daher eine honorable Capitulation, und zogen solche einer schimpflichen Vernichtung vor. Der Feind bot uns die Hand dazu.

Der 14., 15., und 16te Okt. verstrichen mit Unterhandlungen: den 16ten des Abends aber schlugen beide Generale in die Hände. Der Artickel waren 13, und von kurzem Inhalt folgende.

1.

Die Armee soll morgen mit klingendem Spiele aus den Verschanzungen marschiren, und am Hudson auf Commando ihrer eignen Officiers die Gewere zusammensetzen. Die Artillerie soll im Lager stehen bleiben, so wie die Zelte.

2.

Die Armee soll einen freien Abzug haben nach England, und im Hafen von Boston auf Schiffen, die der General Howe schicken soll, eingeschifft werden. Dagegen soll die Armee in diesen Zwistigkeiten nicht weiter gegen NAmerica dienen.

3.

Sollte der Gen. Howe die Armee oder einen Teil davon auswechseln können, so sollte solches gestattet seyn.

4.

Die Armee marschirt den nächsten Weg auf Boston, und wird bis zur Ankunft der Schiffe nahe bei Boston einquartirt.

5.

Eben die Provision, welche die Amerikaner erhalten, soll den Truppen auf dem Marsche geliefert werden.

6.

Die Officiers behalten alle Pferde, Wagen, und Equipage, und die Soldaten ihre Tornister.

7.

So lang die Armee bei Boston bleibt; sollen die Officiers ihrem Range gemäß convenable Quartire erhalten, und niemalen verhintert werden, ihre Leute verlesen zu laßen.

8.

Alle Matrosen, Weiber, freiwillige Comp. &c. genießen eben diese gemäße Behandlungen.

9.

Alle Kanadier haben Erlaubniß, nach Kanada zurückzugehen, mit Condition, nicht wieder zu dienen.

10.

Drei Officiers erhalten Passeports, um mit Depechen nach England, Kanada, und zum Gen. Howe gehen zu können.

11.

Die Officiers werden auf Parole frei gelassen, und behalten ihr SeitenGewer.

12.

Die Armee kan, wenn es nötig seyn sollte, ihre in Kanada zurückgelaßne Equipage holen lassen.

13.

Morgen nachmittag marschirt die Armee ab.

Den 17 Okt. marschirte die Armee am Hudson auf, und setzte, ohne Beiseyn eines feindlichen Officiers oder Commissärs, die Gewere zusammen und setzte sich in Marsch. Die Kanadier, und die meisten Provinzialen, die für uns gefochten hatten, furen in Batteaux nach Fort George. Leztere sind seit der Zeit als Verwiesene anzusehen: doch will man ihnen ihre unglückliche Familien, aber ohne ihr Vermögen, nachschicken.—Wir passirten das feindliche Lager, in welchem alle Regimenter benebst der Artillerie ausgeruckt waren, und unter dem Gewer standen. Nicht eins davon war ordentlich mondirt; sondern ein jeder hatte das Kleid an, in welchem er ins Feld, in die Kirche, oder in den Krug, gehet. Sie standen aber wie Soldaten, wol gerichtet, und mit einem militarischen Anstande, an dem wenig auszusetzen war. Alle Gewere waren mit Bajonetten versehen, und die Riffelmänner hatten Büchsen. Die Leute standen so still, daß uns solches in die äußerste Verwundrungs setzte. Nicht Ein Kerl machte einmal Mine, mit seinem NebenMann zu reden: noch mer, alle Kerls, die in Reihen und Gliedern standen, hatte die liebe Natur so schlank, so schön, so nervicht erschaffen, daß es eine Lust war, sie anzusehen, und daß wir uns alle bei dem Anblick eines so schön erschaffnen Volks verwunderten. Nun die Größe vollends!—Liebster Bruder, Kerls, im Durchschnitte des Ganzen, von 6-7 Zoll nach preußischem Maaße! und ich lüge nicht, daß man weit eher acht-bis 10zöllige Kerls sah, wie einen 5zölligen. Leute von noch größerm Wuchse waren in allen Compagnien. Dies soll einmal der Capit. . . . bestätigen, der sich härmte, keine Rekruten aus diesem Volke anwerben zu können.—Ganz in Ernste, das englische Amerika übertrifft, in Ansehung des Wuchses und der Schönheit der Mannsleute, die meisten in Europa. Und in Ansehung des weiblichen Geschlechts? . . . . Davon ein andermal, wenn ich nach Kenderhook komme: vorher noch ein Kapitel von amerikanischen Perücken.

Die Officiers der Regimenter im Lager des Gen. Gates trugen sehr wenige Uniformen; und die so welche trugen, waren von ihrer eignen Erfindung. Alle Farben von Tüchern schicken sich dazu: z. E. braune Röcke mit Seegrünen Aufschlägen, weissem Unterfutter, und silbernen Dragons; auch graue Röcke mit Paille-Aufschlägen und gelben Knöpfen sah man genug. Laßt Euch aus— s Laden ProbeKarten holen, und erdenkt selbst merere, so erspart Ihr mir viele Mühe. Die Brigadiers und Generale haben besondre Uniformen und Bänder, die sie wie OrdensBänder um die Westen tragen, und woran man ihren Rang kennen kan: die meisten Obersten und andere Officiers waren dagegen in ihren gewönlichen Kleidungen. Ihr Gewer mit dem Bajonette hatten sie in der Hand, und ihre Patrontasche oder ihr Pulverhorn um den Rücken hängen: ihre linke Hand setzten sie in die Seite, und den rechten Fuß etwas vorwärts. Da waren Männer mit schloßweissen Perücken mit gewaltig langen und breiten SeitenHaren und dicken LämmerSchwänzen auf dem Rücken! da waren glintzer schwarze AbbéPerucken, die besonders rote und kupfrige Gesichter sehr relevirten! da waren aber auch weiße oder graue englische PastorenPerucken, deren Pferde- und Ziegenhar in einen gefärlich großen und Bergan stehenden Wulst auftuppirt war! Man glaubt, ein solcher Mann habe hinten einen ganzen Hammel unter seinem Hut befestigt, der ihm um den Hals hienge. Für diese Perucken hat man eine große Reverenz, nicht allein weil sie hochehrwürdig und hochgelart sind, sondern weil sie fast von allen Herrn der Committee getragen werden, und also auch den Gradum der Hochweisen angenommen haben. Ich nenne sie Hocheigensinnige, denn mit einer solchen Perucke habe ich einmal Händel gehabt, und werde mich davor in der Folge hüten.—Die Herren und resp. Träger aller dieser verschiedenen Perucken sind zum Teil zwischen ihrem 50 und 60sten Jare, und vielleicht in diesen Jaren zum erstenmale dem KalbFelle gefolgt: daß sie also zum Teil eine drolligte Figur unter den Waffen spielen, kan man sich wol vorstellen. Aber man siehet ihnen auch den Ernst, weswegen sie ihre Donnerbüchse und PulverHorn ergriffen haben, an der Nase an, und daß es sich mit ihnen (besonders in HolzAffairen) nicht spaßen läßt, und daß sie einen jeden mit kaltem Blute recht gut aufs Korn zu nemen wissen. Ganz im Ernste, die ganze Nation hat viele natürliche Talente zum Kriege und zum SoldatenStande.—Es waren auch reguläre Regimenter in der feindlichen Armee, die man aber, wegen Mangel an Zeit und Tuch, noch nicht ordentlich hatte mondiren lassen können. Diese hatten Fanen mit allerlei Emblematen und Mottos, die uns zum Teil sehr stachlicht schienen.

Noch muß ich aber den feindlichen Regimentern zum Rum nachsagen, daß auch nicht Ein Mann darinn befindlich war, der, wie wir vorbeimarschirten, nur eine Mine von Verspottung, schadenfroher Freude, Haß, oder sonstiger Beleidigung, gemacht hätte: vielmer schien es, als wenn sie uns nur hätten Honneur machen wollen.—So wie wir vor dem großen Zelte des Gen. Gates vorbeimarschirten, nötigte solcher die Brigadiers und Commandanten der Regimenter hinein, und es wurden solchen allerlei Erfrischungen vorgesetzt. Gates ist ein Mann zwischen 50 und 60 Jaren, trägt sein dünnes und graues Har rund um den Kopf, ist noch sehr lebhaft und freundlich, und trägt, seiner schwachen Augen wegen, fast beständig eine Brille.— Im HauptQuartiere trafen wir viele und mancherlei Officiere an, die uns alle mögliche Politessen erzeigten. Philadelphische Officiere und Landsleute von Geblüte wünschten uns unser Schicksal bei den lieben Ihrigen in Pensylvanien erträglicher zu machen: französische Officiere sagten uns in Einem Odem tausend schöne Sächelchen vor: und verschiedene gewesene preußische Officiers gerieten, bei Erblickung von BlauRöcken, in solche Extasin, daß sie sich der Bataillen von Sorr, Prag, und Kesselsdorf &c. erinnerten. Ein Brigadier, Weissenfels, aus Königsberg gebürtig, hat unsern am 7ten gefangnen Officiers reelle Gefälligkeiten erwiesen. —Wir marschirten heute bis Freemanns Ferme, 4 engl. Meilen.

Den 15 Decemb. 1777.

Freunde, Ihr müßt nun mit mir einen Marsch von 215 engl. (etwa 45 deutschen) Meilen machen, um mit mir bis zu der fatalen Situation zu gelangen, in der wir uns noch auf dem Winterhill befinden.

Den 18 Okt. marschirten wir bis nach Stillewater, 3½ Meilen. Das alte und ganz verfallene Fort, und eine Gegend von 3 Meilen, hat von dem ganz sanft fliesenden und allhier einem stehenden See gleichenden Fluße den Namen erhalten. Das englische Corps passirte den Hudson, um auf einer besondern Route nach Boston zu gehen. Wir erhielten aus dem amerikanischen Magazine Provisions, und unsre Gaumen, die die ganze Campagne durch fast nichts als Salzfleisch gekostet hatten, ergötzten sich an frischem Fleische.

Den 19 passirten wir den Hudson in einigen wenigen Batteaux: und weil bereits der Abend herbei kam, so konnten wir nicht weiter bis nach Shetekok gelangen, einer Dorfschaft, die von Niederländern, reichen aber höchst interessirten Leuten, bewont wird. Wir mußten in angewiesenen Wiesen bivouaquiren. Von hier an fanden wir eine gewaltige Menge Äpfel, von welchen man in ganz NeuYork und allen NeuEnglischen Staten eine unglaubliche Menge Cyder macht, der sich 3 bis 4 Jahre hält. Hier stal man uns die ersten Pferde, welche verdammte Mode auf unserm ganzen Marsche nicht aufhörte. Uns zum Troste sagte man, daß wir sie entweder selbst gestolen, oder von königl. Gesinnten gekauft haben müßten, die sie ihnen gestolen hätten; und daß wir das alte römische Gesetz wißen würden, wo es hieße: Vbi rem meam inuenio, ibi vindico. Wir konnten aber nicht begreifen, wie sie in Kanada geborne und erzogene Pferde, ja deutsche, vindiciren wollten.

Den 20 Okt. passirten wir viele niederländische und deutsche Habitationen, und die Hrn. Bauern hatten unglaublichen Vorrat von allerlei Getraide. Große Haufen davon lagen in Banzen, über welche bewegliche Dächer angebracht waren. Wir giengen bis NewCity, der Anlage eines neuen Städtchens am Hudson, das etwan erst 8 Jare zält. Es hat seine rechte Entstehung zween reichen Particuliers, Namens French, zu danken, die hieselbst schöne Gebäude und WarenHäußer haben auffüren lassen: beide aber müßen als Torrys (das ist, königlich Gesinnte) das ihrige mit dem Rücken ansehen. Becker, Schmiede, und andere HandwerksLeute, hatten sich hier auch etablirt; aber die meisten Häußer standen leer. Wir trafen hier ein sehr wol eingerichtetes Hospital an, in welchem wir auch von unsrer Armee blessirte Soldaten vorfanden. Sie erzälten uns, wie sie ihren Thee, Zucker, Chocolade, und Wein erhielten, so gewaltig teur diese Sachen auch sind. Das Corps mußte bivouaquiren, und sich die Nacht beschneien und beregnen lassen. Der Marsch hat heute 10 Meil. betragen.

Den 21. schneite und regnete es die ganze Nacht. Die Habitations lagen auf ½ und merere engl. Meilen auseinander; die Wege waren bergicht und schlecht. Nach vollbrachten 14 Meilen gelangten wir nach Grünebusch, und schlugen in einem Holze, nahe bei dem Hause eines reichen Bauern, der sich Woolesworth nannte, unsre Wonungen auf. Die Nacht fror es stark.

Den 22. gieng unser Marsch fast nur durch lauter Waldung, in der die schlechten Habitations sehr einzeln lagen. Endlich nach 15 abgestoßenen Meilen gelangten wir an eine zwischen verschiedenen Bergen liegende Plaine, in der der Flecken Kenderhook, aus etwa 70 zerstreuten Häußern bestehend, liegt. Das Haus eines van Schaaken, von Stein und 3 Etagen hoch gebaut, zeichnete sich besonders aus: dieser Mann erzeigte uns viele Politessen, und war unser guter Freund. Auch die übrigen Einwoner waren gute Leute, und Niederländer von Geburt: nur waren sie auch sehr interessirt, und wie die Juden hinter dem Gelde her; was sie verkauften, war unglaublich teur. Die meisten Häußer waren sehr wol gebaut, und inwendig mit sehr guten Meubles geziert. Die Einwoner lebten überaus gut: ihr Breakfast besteht in Thee mit Milch, wobei aber gebraten Fleisch, gebratne Äpfel, und allerlei fettes ButterGebackne seyn mußte. Mit Thee hätten wir allhier alles ausrichten können, wenn wir nur vielen gehabt hätten. Die nur etwas bemittelte Leute hatten ihre Spiegel mit vergoldeten Ramen, und ihre recht gute Pendulen. Dieses gilt bis ganz nach Boston. Weil die Einwoner alle Scheuren voll Getreide hatten, so mußte das Corps in einem nah gelegnen Holze bivouaquiren.

Den 18 Decemb. 1777.

Freunde, ich bin zu Kenderhouk, woselbst ich das Kapitel von hübschen Mädchen abhandeln soll. Prüft aber vorher meine Beschreibung genau, ob Ihr solche einer Dame vorlesen dürfet, ohne daß ich dereinst deswegen Händel mit meinen lieben Landsmänninnen zu befürchten haben dürfte. Ist lezteres; so erzeige nur einer von Euch die Barmherzigkeit, sogleich ein Dintenfaß über die ganze Seite zu gießen. . . .

Die Frauensleute in dieser ganzen und weiten Gegend bis nach Boston und NeuYork, sind schlank und gerade gewachsen; und ohne stark zu seyn, sind sie fleischig. Sie haben schöne und kleine Füße, ganz wackre Hände und Arme, eine sehr weisse Haut, und gesunde Farbe im Gesicht, ohne nötig zu haben, sich zu schminken. Von Pocken habe ich fast keine marquirt gesehen; dagegen ist auch die PockenInoculation allhier seit langen Jaren in allgemeinem Gebrauche. Ihre Zähne sind sehr weiß, ihre Lippen schön, und ihre Augen sehr lebhaft und lachend. Dabei haben sie einen natürlichen Anstand, sehr viel ungezwungnes Wesen, ein freies und muntres Gesicht, und natürliche Dreistigkeit. Sie halten viel auf Reinlichkeit, und auf ein gutes Fußwerk. Sie kleiden sich ganz anständig; allein alles Zeug muß ihnen auch sehr passend sitzen: Schlender und Contouchen sind die gewönlichen Kleider. Ihr Har frisiren sie alle Tage, schlagen solches hinten in einen Chignon, und stecken es vorne zu einem mäßig hohen Tuppé. Merenteils gehen sie mit bloßem Kopfe, und höchstens legen sie ein Coeurchen oder sonst ein Dingelchen auf dem Kopf: hin und wieder läßt eine ländliche Nymphe ihr Har auch fliegen, und flicht es mit Band ein. Gehen sie aus; so hängen sie, die Hütte in der sie wonen mag auch noch so armselig seyn, eine seidene Enveloppe um, und ziehen Handschuh an. In die Enveloppe wissen sie sich sehr manirlich einzuschlagen, so daß der eine kleine weisse Ellenbogen hervorsieht. Auf den Kopf setzen sie alsdenn ein Corsen- oder sonst sehr wohlgemachtes SonnenHütchen, unter welchem sie gar närrisch mit ihren schalkhaften Augen heraus zu gucken wissen. In den englischen Kolonien haben sich die Schönen in rote seidene oder wollene Enveloppen verliebt. Auf die Art gekleidet, lauft, springt, und tanzt ein Mädchen umher und bietet einen freundlichen guten Tag, oder giebt auch wol, je nachdem die Fragen sind, eine kleine nasenweisse Antwort. So standen aller Orten Duzende am Wege, ließen uns die Musterung passiren, lachten uns spöttisch an, oder reichten uns auch dann und wann mit einem Knixchen ganz schelmisch einen Apfel. Wir glaubten anfänglich, es stünden Mädchen aus Städten, oder wenigstens aus der Klasse Num. 2, am Wege: aber siehe da! es waren die Töchter von armen Bauren, die man auch in ihrem Habite für arme Bauern erkannte.—Aber meinen lieben Landsmänninnen zu Ehren, muß ich, bei alle dem Schönen, was ich so eben von dem hiesigen schönen Geschlechte gesagt habe, doch gestehen, daß das sanfte, schmachtende, und zärtliche Wesen, welches jenen so vielen liebenswürdigen Reiz giebt, bei den hiesigen Schönen nur gar selten zu finden ist; und daß folglich die Glückseligkeiten, welche daraus entstehen, hier sehr rar seyn mögen. Man sieht allhier perfect schöne Nymphen, aber nur sehr selten eine ware Grazie: und wenn man auf schätzbare Eigenschaften, die mit dem Schönen der Natur eigentlich verbunden seyn sollten, siehet; so . . . Doch wo gerate ich hin! Es ist die höchste Zeit, daß ich aufhöre, von Mädchen zu schreiben, die uns den 23 Okt. um einige gute Leute gebracht haben, und welche ohne die verfürerische Stimme einiger schönen Sirenen ihre Kameraden nicht würden verlassen haben. Den heutigen Rasttag will ich mit 2 Dingen füllen, die ich Ihnen, liebe Freunde, bekannt machen will. Das erste Ding gehört unter die notwendigen Übel dieser Welt, in welches wir MannsLeute uns vortrefflich zu schicken wissen: es ist solches die Herrschafft der Frauen über ihre Männer. Diese Herrschafft ist in ganz Amerika ausgebreitet; aber auf eine ganz andre Art wie in Kanada, wo solche das Interesse der Männer, hier aber den Ruin der Männer, zum Gegenstande hat. Die Frauen und deren Töchter treiben einen Stat, der für die Einname der meisten Männer übertrieben ist. Der lezte Penny muß dazu aus des Mannes Tasche hergegeben werden: dafür ist kein Rat! Die Frauen erpochen solchen nicht, beißen sich auch nicht mit ihren Männern herum, kratzen sie auch nicht, fallen auch nicht in Ohnmachten, oder stellen sich krank: der Himmel mag es wißen, wie sie es anfangen, daß sich die Männer so gedultig dieser harten Taxirung unterwerfen. Die Töchter müßen eben den Stat füren, denn das ist der Wille der Mutter. Stirbt die Mutter: so befielt sie ihren Töchtern noch auf dem Todtbette an, in diesem Stücke die Herrschaft im Hause und über ihres Vaters Geldbeutel zu behalten. Weil jezt alle die Bedürfnisse, welche die Frauen zu ihrem Putze nötig haben, nicht allein übermäßig teur, sondern auch noch dazu eben so rar sind: so tragen die meisten schon jetzt ihren gewesenen SonntagsPutz alltäglich. Ist dieser zerrißen: so werden die Männer warscheinlich Friede mit der Krone machen müßen, um solchen ersetzen zu können.—Der zweite Artickel betrift die Negres. Von hier bis Springfield findet man wenig Habitationen, in denen nicht eine NegerFamilie seyn sollte, die in einem kleinen Nebenhause wont. Die Negres sind allhier, gleich dem übrigen lieben Viehe, sehr fruchtbar. Die Jungen werden wol gefuttert, zumal wenn sie noch Kälber sind. Die Sklaverei ist übrigens sehr erträglich: der Neger ist eben so wie der Knecht bei einem Bauern zu betrachten; die Negresse verrichtet alle grobe HaußArbeit; und die kleine schwarze Jugend wartet der kleinen weissen Jugend auf. Der Neger kan statt seines Herrn zu Felde gehen, und daher sieht man kein Regiment, in welchem nicht Negres in Menge wären; und es giebt wolgewachsne starke und handfeste Kerls unter ihnen. Hier sind auch viele freie NegerFamilien, die in guten Häußern wonen, bemittelt sind, und völlig nach der Manier der übrigen Einwoner leben. Es sieht drolligt genug aus, wenn die Demoiselle Negresse ihr wolligtes Har zu einem Tuppé zwingt, ein Sonnenhütchen auf den Kopf setzt, sich in ihre Enveloppe wickelt, und in diesem State über die Strasse schummelt, und eine SklavenNegresse hinter sich her wackeln läßt.

Den 24 Okt. marschirten wir durch Cleverac, eine Dorfschafft, die von lauter Franken bewont wird. Der Pastor loci stand mit einigen seiner Schäfchen am Wege, um uns seinen apostolischen Segen mit auf den Weg zu geben. Wir erfuren nachmals, daß er aus einem Strumpfweber[4] ein Diener der Kirche geworden sei. Dies geht in Amerika an, und leider fast nur allein in der evangelischen Kirche! Noch zu Anfang dieses Jars hat der Pastor primarius an der evangelischen Kirche zu Albany, ein gewesener preußischer Feldwebel, großen Lerm verursacht. Zweien seiner Beichtkinder, die ihm im Wirtshause freundschafftlich wegen der Härte, mit welcher er seiner jungen Frau begegnete, vernünftige Vorstellungen getan, hat er mit seinem Prügel dermaßen geantwortet, daß der eine an seinem geschmetterten Cranio gestorben, und der zweite sich beide Arme hat schienen lassen müßen. Er hat seit der Zeit flüchtig in Amerika umher geirret, und ist anjetzo Steuermann auf einem Schiffe. Diese geheime Nachrichten habe ich von unserm MarschCommissaire, Hrn. Tielemann, erfaren. Dieser ist gebürtig aus Mannheim, Mitglied der Committee in Albany, auch Major in einem MiliceRegiment, hält ein Wirtshaus in Albany, und ist von Profession ein wolgelernter Schuster. Die englischen Kirchen haben ordentliche Priester, und Holland versieht die niederländischen Kirchen mit Predigern, die aber oft viele Jare vacant sind.—Wir marschirten 17 Meilen bis nach der elenden Dorfschaft Noble-town, bei welcher wir, aus Ermangelung an Häußern, unter freiem Himmel liegen bleiben mußten. Wir bereiften die Nacht so, daß wir wie große ZuckerPuppen aussahen.

Den 25. hatten wir heßliche, waldigte und steinigte Wege, und bekamen, nach gemachten 13 Meilen, in Great-Barnington Quartire. Gröbere und hämischere Leute habe ich nie gesehen, und nie habe ich mich mer für Schlägen gehütet. Durch grobe Begegnungen setzten sie unsre Gedult auf die höchste Probe. Die meisten Officiers durften nicht mit der Nase auf die Diele riechen, sondern mußten mit ihren Leuten im unausgemisteten Ställen und Scheuren liegen. Sonst hat dieser Ort eine sehr wackre und neugebaute Kirche.

Den 26 gieng der Marsch durch Tyringham, durch lauter Wald und ware Wildniße. Wir taten unrecht, daß wir auf die abscheulichen Wege fluchten; denn wir fanden sie nachher noch toller. Wir wanderten erst in dem Anfange eines großen und wüsten Gebirges, welches Greenwood heißt, womit Ihr allenfalls die unartigen Kinder schröcken könnt, sie in solche zu relegiren. Nach 17 vollbrachten Meilen schliefen wir in diesem amerikanischen Kaukaso; und zu unsrer guten Beßerung regnete es die ganze Nacht.

Den 27 Okt. wurden wir noch beßer eingeweicht; und die Wege wurden so abscheulich, daß uns die Lust vergieng, darüber noch zu fluchen. Nach 11 Meilen bekamen wir elende CantonnementsQuartiere in etwa 20 auf 3 starke engl. Meilen auseinander liegenden Häußern der Dorfschaft Blandford, in welchem sich 7 Regimenter und unsre Escorte, die auch aus 600 Mann bestand, behelfen mußten. Ich war heute so verdrüßlich und ungesprächsam mit mir selbst, daß ich mich bald auf eine offene BodenKammer legte, in Hoffnung zu schlafen: vor Kälte, WindSturm, und Schlägen der Schlossen aber konnte ich nicht zum Schlafe kommen. Vorstellungen vom morgenden Marsche stachen mich toller, wie die Flöhe, die allhier warscheinlich ihren GeneralCongreß haben mochten.

Den 28 wechselten, unter einem gewaltigen kalten Sturme, Schloßen, Regen, Schnee, wunderbarlich mit einander ab. Der Wind durchzog den ganzen Körper, hätte man ihn auch gleich mit noch so vielem Zeuge einballirt. Die nassen Kleider froren zu Panzern am Leibe: ein Grenadier erfror auf dem Marsche: viele PackPferde sagten ihren Herrn auf ewig eine gute Nacht; und seit der Zeit bin ich vollkommen überzeugt, daß ein Mensch mer wie ein Pferd ertragen kan. Die ältesten Soldaten gestanden, so einen Marsch noch nie erlebt zu haben. Gegen Abend kamen wir erst nach zurückgelegten 10 Meilen nach Westfield, einem recht niedlichen Städtchen. Die Natur des heutigen Tags erweichte das Herz der Einwoner zum Erbarmen und Mitleid, und man nam uns auf.—Von diesem Orte an ist die Gewonheit, die Kirchen, und alle schöne Gebäude und Häußer durch GewitterStangen und StralAbleitungen vor dem Einschlagen der Gewitter zu sichern, allgemein. Von hier bis Boston sieht man diese von dem gelerten Franklin erfundne Methode in Städten und auf dem Lande angebracht.—Größeres Hornvieh und Schweine habe ich noch nie gesehen. Der Auctor, ich weiß nicht gleich welcher, lügt nicht, welcher schreibt, am ConnecticutFluße treffe man Ochsen von 1800 und Schweine von 500 lb. (engl. Gewichts, à 28 Lot) an.

Den 29. hielt der Regen zwar an, allein ohne Schnee und GlattEis. Die Wege waren zwar schlecht, aber doch nicht mer abscheulich. Wir kamen nach 7 Meilen nach West Springfield, einem Flecken oder Städtchen mit zerstreuten Häußern und einer eignen Kirche: der Connecticut scheidet solches von OostSpringfield. Man nam uns in die Häußer auf. Die Einwoner waren passable, aber verdammt neugierig. Aus dem Flecken und der ganzen Nachbarschaft kamen Familien mit Frauen und Töchtern angezogen, und giengen Haus vor Haus, um, wie sie sich auszudrücken beliebten, die Gefangenen zu besehen. Vom General an, mußte sich dieses ein jeder gefallen lassen. Je größer der Rang war, desto genauer und länger wurde man besehen. Ich freute mich, daß man mit mir bald fertig wurde; aber mein Brigadier, so ein grämliches Gesicht er auch machte, mußte besser aushalten. Ich bot den hübschen Mädchen Stüle, und sie namen solche auch an: und ich gewann dabei Zeit, Rache auszuüben, um sie mit Attention wieder zu besehen. Endlich wurden wir dieses Spaßen herzlich überdrüßig; denn eine Partie nach der andere trat, ohne anzupochen, frech in die Stube. Ich glaube fast, daß unser Wirt Geld für uns ausgenommen hat.

Den 30. hatten wir Rasttag, aber nicht in puncto des Besehens. Ich ließ mich früh morgens barbiren, und puderte die Hare. In dieser Gegend ist die Gewonheit, daß die Weiber und Mädchen in Quersätteln für sich allein, oder auf Kissen und auf dem Kreuze der Pferde hinter ihren Männern oder Galans, reiten. Man siehet eine junge Schöne oft eine solche Karavane in vollem Galopp anfüren. Die Kerls sehen wie MädchenRäuber aus, in Betracht ihrer schlechten Kleidung und des Putzes der Weiber.

Den 31 Oktob. machten wir eine Traverse über den Connecticut, mit welcher wir erst in der Nacht fertig wurden. Die Committee in Oost Springfield relegirte die Regimenter, trotz aller Bitten und Vorstellungen, 3½ Meilen weiter in ein Holz. OostSpringfield ist ein ausnemend wackres Städtchen, mit recht sehr schönen Häußern. Es liegen solche zwar auf 50 bis 100 Schritte auseinander; allein der ZwischenRaum, der einen Hof oder Garten enthält, ist nach der Straße zu mit einem Gatterwerke, und auch wol mit Statüen, geschloßen. Dieser Ort ist anjezt ein sehr reeller WaffenPlatz der Amerikaner. Er enthält ein kleines aber sehr artig gebautes Zeughaus. Wir trafen verschiedene Parcs von Artillerie mit ihrem Attirail, und unter andern 12 ganz neue vierpfündige französische Kanonen, allhier an. Die Store- oder MagazinsHäußer waren gepfropft voll. In allen Häußern lagen Ouvriers von aller Art, die sich mit Verfertigung von AmmunitionsWagen, Laffeten, Geweren &c., beschäftigten. Ich habe Wagen gesehen, die man in England nicht besser machen kan, und auf welchen das R. P. eben so nett wie das G. R. gemalt war. Ordnung herrschte in allen Stücken; und ein alter Mann mit einer buxbaumenen Perucke und einem großen grauen Roquelaure mit weiten Ermeln, zog wegen seines Lermens und Keifens meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich erfur, daß er Feldzeugmeister wäre, und wünschte in dem Augenblicke, daß mein Freund—diesen seinen Hrn. Collegen in seinem Anzuge und DienstEifer hätte sehen können.

Den 1 Novemb. giengen wir bis nach Palmer, einer elenden Dorfschaft, 12 Meilen. Aus Not bivouaquirten wir. Von hier bis Boston steht, von Meile zu Meile, ein steinerner Meilenzeiger.

Den 2. gieng der Marsch durch West-town, einer Dorfschafft mit guten Häußern und reichen Einwonern, bis nach Brockfield, 15 Meilen. Die Einwoner wollten uns nicht in die Häußer aufnemen: sie behaupteten, das könne weder Congreß, noch Gen. Gates, noch der Obr. Ried, der unsere Escorte commandirte, von ihnen verlangen.

Den 3. marschirten wir durch Spencer nach Luster oder Leicester. Die Einwoner waren, in Ansehung ihrer Gesinnungen, conform mit denen von Brockfield.

Den 4. hatten wir nur einen kleinen Marsch bis nach Worcester, einem wackern Städtchen. Nach vielem Disputiren nam man uns in die Häußer und Scheuren auf: das Bataill. von Bärner aber legte man in ein großes Bethaus. Ich und mein Brigadier logirten bei einer vornemen Frau, die 2 Söhne bei der Howeschen Armee hat, und deren Mann sich in England aufhält. In ihrem eignen schönen Hauße wonet sie aber anjezt zur Miete, und von ihren Meubles muß sie Heuergeld an die Committee bezalen. Um ihr alles ruhige Leben zu verschaffen, läßt die Committee auch ihre Länder bestellen, und trägt überhaupt Sorge für die ganze Ökonomie. Damit ihr auch nichts gestolen werden kan, so hat sie gewaltige Schlößer vor ihre WarenNiederlagen hängen lassen. Diese Frau, deren Zustand uns zu Herzen gieng, empfing uns mit warer Freundschafft und Sorgfalt. Sie hatte sehr viele Erziehung, und ihre 2 sehr schöne Töchter haben sich nach ihr gebildet. Wir trugen Bedenken, alle die Höflichkeiten anzunemen, womit uns diese Dame überhäufen wollte, und ließen selbst kochen. Die älteste Tochter präsentirte uns ihren Bräutigam, einen wackern Menschen: und durch solchen lernten wir noch andre wackere Leute der Stadt kennen, die zum Teil ehemalen die Bedienungen gehabt hatten, jezt aber ihre Knie vor den Herrn der Committee beugen müßen.— Alle Obrigkeitliche Bedienungen sind anjetzt aufgehoben, und alle Processe halten eine lange NachmittagsRuhe. In jeder Stadt, Flecken und County sind dagegen vom Congresse Committen bestellt, welche eine InterimsRegierung füren, und auf die pünktlichste Befolgung aller Verordnungen des Congresses ein wachsames Auge haben müssen. Unbändiger Eifer für die sogenannte Freiheit und Befele des Congresses, sind die Eigenschaften, die dazu erfodert werden, um ein Herr von der Committe zu werden, und über die Mitbürger zu befelen. Diese Herrn sind merentheils ex plebe; und der Himmel sei dem gnädig, der bei ihnen als ein Torry verdächtig wird. Manche Familien leben daher im Drucke. Wenn ihre Stimme zum Aufgebot erschallt; so muß der Prediger von der Kanzel treten, und seine männlichen Zuhörer greifen zum Gewehr und Pulverhorn.

In diesem Orte erhielten wir zum erstenmal 15 Thlr. PapirGeld für 1 Guinee, und also 90 Schill. PapirGeld, da doch, nach den Verordnungen des Congresses, die Guinees nur zu 28 Schill. PapirGeld eingewechselt werden sollen. Seit der Zeit bezalen wir die Amerikaner in ihrer eignen Münze, die uns sonst schon längst das Fell über die Ohren gezogen haben würden, indem 6 Schill. PGeld so gut wie 5 Schill. Silber seyn sollte. Alle Producte zur Leibes Narung und Notdurft, sind in 5 bis 6fach höheren Preisen, wie ehemals, und dieses des PapirGelds wegen: indem das Publicum kein großes Zutrauen zu diesem Gelde hat, welches in gar enormer Menge, teils vom Congresse, und teils von allen Provinzen, verfertigt wird. Ein jeder hat daher seine Waren schon so hoch im Preise gesteigert, daß er keinen Schaden in der Folge davon zu befürchten habe. Man giebt es den Torrys Schuld, daß wir bis auf diese Stunde unsre bare Münze so vorteilhaft umsetzen können: dies ist war, aber auch nicht war. War ist es, indem viele Torrys sich von ihrem Papir und Sachen loß zu machen suchen, damit wenn der ParteiGeist endlich einmal in einen VerfolgungsGeist ausbrechen sollte, sie mit barem Gelde eher flüchten können. Allein nicht war ist es, daß die Torrys solches aus Haß gegen die GegenPartei, und aus Hang für uns, täten. Alle Menschenkinder in Amerika sind dazu viel zu interessirt. Auch die eifrigen Republikaner suchen sich vom Pap.Gelde loß zu machen, und lieben mer 1 Guinee, als ein papirnes 15 Thlr. Stück, das 15 Piaster gelten sollte. Ferner können die Kaufleute, die von den Franzosen und Holländern ihre Waren erhalten, nicht anders wie mit klingender Münze bezalen, weil ich höre, daß das Amerikanische PapirGeld nicht in Europa in Cours seyn soll. Folglich müssen auch diese aus Not unser Gold hoch einwechseln, und steigern wieder ihre Waren so hoch, daß sie allemal gewaltigen Vorteil doch noch dabei haben. Man hat schon 18 und mer Thlr. für 1 Guinee zu gewissen Zeiten erhalten. Von entlegenen Orten kommen ganze Tonnen mit PapirGelde angefüllt, um die Zeit zur Verwechslung zu nutzen. Der Congreß und die Committen sind zwar wachsam, und suchen den Schleichhändlern aufzupassen: und es sind große Geld- ja so gar GefängnißStraffen auf die gesetzt, die sich mit dem GeldHandel abgäben; allein es sind so viele andre Mittel wieder ersonnen, daß alle Verordnungen des Congresses dadurch untergraben werden. Die Franzosen und Holländer lassen sich jetzt allenfalls ihre Waren in PapirGelde bezalen, und bringen uns alsdenn solches, und holen dagegen von uns das bare Geld ab. Ich will Euch jezt von der hiesigen Teurung in KleidungsStücken bei dieser Gelegenheit einen Begriff machen. Ein mäßig guter Hut, den ich aus Not habe kaufen müßen, kostet mir 25 Rthlr. oder 125 Schill.: hätte ich in klingender Münze bezalen müßen, so würde er 43 Thlr. 18 Ggr. in Louisd’or gekostet haben; an PapirGelde bezalt, kostet er mir doch nur 10 Thlr. 5 Ggr. In diesem Verhältniße und noch höher stehen alle Waren. Eine Elle Tuch, das bei uns 2½ Rthlr. kostet, kan man hier nicht unter 2½ Guinee haben. 4 Hemde, die ich mir aus Not, und noch dazu ohne Manchetten, machen lassen müssen, kommen mir auf 4 Guinees zu stehen: bei Euch kan die Elle des Linnens für 5 Ggr. gekauft werden. Die LebensMittel stehen noch in leidlichem Preise. Der Wein ist teur und schlecht, und unter 20 Ggr. unsers Geldes kan man die Bouteille nicht haben. Dies Papir, worauf ich an Euch schreibe (7 Bogen), kostet 18 Schill. PapirGeld, und also weit über 1 Rthlr. unsers Geldes. So große GeldRemisen werden schwerlich wieder nach— geschickt werden, wie von Kanada dahin abgegangen sind.

Den 5 Nov. marschirten wir durch Shrewsbury und Northborow nach Marlborough, 16 Meil.

Den 6. gieng der Marsch durch Sudbury, einen Flecken, in welchem ein Artillerie-Train, ein Magazin, und andere KriegsBedürfnisse befindlich waren. Wir cantonirten in West-town. 13 Meilen. Endlich.

Den 7. passirten wir das Städtchen Water-town, marschirten durch Cambridge, und krochen darauf in die Baraquen auf dem Winterhill, in welchen wir jezt noch trübselig leben.


Hill heißt auf deutsch ein Hügel: und die ganze Gegend zwischen Cambridge und Boston ist mit solchen nackten und kalen Hills angefüllt, die merenteils sämtlich mit Baraquen bedeckt sind. Der Winterhill, und der dicht daran liegende Prospecthill, haben so viele Baraquen, daß jener das deutsche und dieser das englische Corps beherbergen kan. Die Baraquen sind ohne Grundlagen von blossen Brettern aufgefürt, durch welche von oben und unten, und von allen Seiten, Luft, Regen und Schnee dringt. Sie haben keine Fenster, sondern nur Luken. Unsre Leute müssen gewaltig viel darinn ausstehen, und wissen sich kaum vor Kälte zu bergen. 4 bis 5 Officiers liegen in einem Loche beisammen, in welchem sie sich kaum umwenden können. Das Holz wird so sparsam ausgeteilt, daß es nicht hinreichend ist, in den Kaminen das nötige Feur zu unterhalten. Auf 5 engl. Meilen in der Ründe siehet man allhier weder Holz noch Busch, daher das Holz so rar wie teur ist.

Die Gen. Burgoyne und Phillips erhielten anfänglich keine Quartire, sondern mußten sich in ein Wirtshaus in Cambridge einmieten. Der Gen Maj. von Riedesel und die Brigadiers bekamen in den zunächst um die Hills gelegenen Häußern Quartire, die aber sehr elend waren. Nachmals hat man zwar sämtlichen Generalen recht gute Häußer in Cambridge angewiesen; allein die Brigadiers haben sich in ihren elenden Häußern behelfen müßen. Ich logire bei meinem Brigadier in Einem Hauße: mein Zimmer besteht aber aus einer BodenKammer, durch deren bretterne Wände man an allen Seiten sieht. Noch nie habe ich im Winter mer gefroren. Von meinem Kamin habe ich mich um keinen Schritt entfernen dürfen; und mer wie hundertmal ist mir die Dinte in der Feder gefroren. Beim Schnee, der mit starkem Winde kam, habe ich Fuß hoch Schnee im Zimmer gehabt. Die armen Leute in den Baraquen haben noch größeres Ungemach zu ertragen, indem sie weder Stroh noch nötige Decken haben.

Unter dem Winterhill liegt das Städtchen Mystic, welches nur ein kleiner Fluß von dem Städtchen Milford scheidet: beide Städtchen enthalten gute Häußer und mancherlei ArbeitsLeute. Boston, die viel größere Stadt wie Braunschweig, liegt nur 4 engl. Meilen von uns, und präsentirt sich mit ihrem Hafen und Schiffen gar vortrefflich. Es ist vom Höchsten bis zum Niedrigsten keinem Menschen erlaubt, hineinzugehen, bei Strafe ohne Ansehen der Person auf ein Wachtschiff geschickt zu werden. Die Generalin von Riedesel hat einige male von dem Gouverneur die Erlaubnis erhalten, hinein faren zu dürfen, um einige Damen darinn zu besuchen. Zwischen dem Prospecthill und Boston liegt der Bunkershill, auf welchem noch die Verschanzungen des Gen. Gage zu sehen sind: er ist mit Baraquen angefüllt. Unter dem Hill liegt das von bemeldtem General bei seinem Rückzuge abgebrannte Städtchen Charlestown, in welchem verschiedene schöne Häußer wieder aufgebaut sind.

Cambridge ist ein kleiner Ort, den das Collegium Herwardinum mit seinen großen Gebäuden fast nur allein ansenlich macht. Diese Gebäude sind sowol groß als schön gebaut. Die CollegienKirche hat ein antikes römisches Ansehen. Die Häußer, die um Cambridge liegen, sind zum Teil gar magnifique: die machen den Ort groß und wichtig; viele davon gehören als Landhäußer reichen Leuten in Boston. In Cambridge liegt auch ein Regiment Provinzialen zur Bedeckung mit Artillerie-Trains in Baraquen: auch ist in diesem Orte ein ansenliches Magazin.

Auf einem Hill nahe am Prospecthill, der auch mit Baraquen bebaut ist, liegt ein Regiment Amerikaner, und dieses giebt Detaschements auf unsre Hills, welche solche mit einer Chaine von Posten umzogen haben, durch welche weder UnterOfficier noch Soldat, ohne gedruckte Pässe, die der Gen. Heath, Gouverneur von Boston, geschickt hat, gehen darf, ohne zu risquiren, auf den Kopf geschossen zu werden. 2 englische Soldaten sind bereits wirklich von den Schildwachen erschossen worden: und mer als 40 engl. Soldaten, die ohne Pässe von den Patrouillen arretirt worden, sind auf die Wachtschiffe gebracht worden. Unserm Corps sind dergleichen widrige Dinge noch nicht widerfaren. Zwischen den Amerikanern und englischen Soldaten herrschen überhaupt gewaltige Animositäten; und es sind viele verdrüßliche Vorfälle vorgegangen, die uns unsern hiesigen Aufenthalt durch Einschränkungen noch unerträglicher machen. Anfänglich durfte kein Officier über eine engl. Meile in der Runde um die Hills gehen oder reiten: jezt hat man aus freien Stücken diese Gränze auf 3 engl. Meilen erweitert. Diese Gränze ist mit Posten besetzt, und der Officier würde viel risquiren, der solche überschritte: jeder Officier hat diese seine Parole unterschreiben müßen. Auch den StabsOfficiers hat man jezt Quartire angewiesen, verschiedene aber haben solche nicht angenommen, und ihre Baraquen fester machen lassen.

Der Gen. Burgoyne so wol, wie der Gen. Maj. von Riedesel, haben einen Ball gegeben, und dazu verschiedene Damen aus Boston, wie auch aus der Nachbarschaft, invitirt. Allein alle Committen haben das Verbot gestellt, daß sich keiner unterstehen sollte, darauf zu erscheinen. Es sind daher die gebetenen auch nicht gekommen: nur die 2 Töchter des Gen. Scheylers, wovon die eine an einen Master Carter verheiratet ist, haben es gewagt, das Verbot beidemale zu übertreten. Der Gen. Scheyler hat dem Gen. von Riedesel selber Addresse an seine Töchter gegeben, und in diesem Betracht sagt die Bostonsche Committe nichts dazu. Man lebt auf die Art ohne allen Umgang allhier, außer dem, den wir unter einander halten. Große Fêtes werden nicht gegeben, und die Gen. Burgoyne und Phillips halten sich sehr eingezogen. Weil wir alle weit auseinander liegen, und s. Ex. der Gen. von Riedesel auf 1½ Meile von uns wont, und die Wege im Winter schlecht sind: so lebt man merenteils in einer traurigen Einsamkeit. Unsre und die amerikanischen Officiers halten ebenfalls keinen Umgang mit einander. Die hiesigen Regimenter sind MilizRegimenter, und fast alle Officiers darinn sind Handwerksleute. Es hat viele Mühe gekostet, den hiesigen Einwonern die Idee zu benemen, daß unsre Officiers keine Professionisten wären: man hat geglaubt, daß solche aus Caprice ihre Handwerke nicht treiben wollten.

Den 30 Decemb. 1777.

Der Präsident Hancock ist schon seit verschiedenen Wochen in Boston, in welcher Stadt er unter Läutung aller Glocken und Abfeurung aller Kanonen empfangen ist. Dieser Mann, den die eifrigen Republikaner, uns zur vermeintlichen Kränkung, den amerikanischen König nennen, hat allen Anstand, der sich für einen Mann von seinem Range, als der der Erste in Amerika ist, vollkommen schickt. Dagegen weiß er auch so treuherzig und herablassend mit dem Geringsten umzugehen, daß man glaubt, er spreche mit seinem Bruder oder Verwandten. Er besucht die kleinsten Kaffehäußer der Stadt Boston, in welche der ärmste Habitant, der sein Holz oder Fleisch oder Gemüße zur Stadt bringt, ebenfalls geht. Überhaupt, wer hier gut durchkommen will, muß die Kunst, populaire zu seyn, genau verstehen. Reichtum und Geburt kommt in keinem Lande weniger in Betracht, wie hier; und doch kan ein jeder seinen Rang und Würde behaupten, den ihm das Schicksal zugeteilt hat, ohne daß er absolut nötig hat, sich mit dem Niedrigsten familiaire zu machen.

Unsre wirklich gefangne Officiers liegen teils in Westminster, und teils in Rutland: die gefangnen UnterOfficiers und Gemeinen aber sind im ganzen Lande weit und breit zerstreut. Die gefangnen Officiers haben in gewissem Betrachte merere Freiheiten, wie wir, indem sie mit Erlaubniß des Commissärs, der das Departement aller Gefangnen hat, reisen können, wohin sie wollen. Man hat es sogar einigen nicht abgeschlagen, nach Kanada zu gehen: viele von ihnen haben auch uns besucht, und sind 4 Wochen und länger bei uns geblieben. In Ansehung ihrer Geldbeutel hingegen sind sie zu bedauren. Sie haben erstlich bis jezt alles in klingender Münze bezalen müßen, indem sie keine Gelegenheit gehabt haben, in diesen entlegenen Gegenden PapirGeld zu erhandeln, und ihnen niemand einmal 6 Thlr. für 1 Guinee geben wollen. Und denn ist bei ihnen alles, was nur einigermaßen ad voluptuosa gehört, 2 bis 3mal teurer wie hier, da man dergleichen Sachen in Boston aus der ersten Hand haben kan. Es ist unglaublich, welchen Profit die Handelsleute in Amerika auf ihre Waren nemen: das Duplum ist das wenigste. Kaufe ich also etwas aus der 4ten Hand; so kan ich darauf rechnen, daß ich die Sache fast 16mal höher bezalen muß, als sie in der ersten Hand gekostet. Kämen nicht so viele französische Schiffe hieher, so würde die Teurung in manchen Dingen noch größer seyn. 1 lb. St. Omer kan man doch von ihnen für 1½ silberne Piaster, also für 2 Thlr. unsers Geldes, bekommen; da die hiesigen Kaufleute solchen nicht unter 2½ Piaster verkaufen wollen. Die Franzosen kommen täglich auf die Hills, und setzen ihre Sächelchen ab. So gar fourniren sie uns unsre Lectüre, indem sie uns Komödien und Tragödien in einzelnen Stücken verkaufen: sie haben solche zum Zeitvertreib mitgenommen, und diese Piecen auf ihrer Fart hieher gelesen.

Die gefangene Gemeine haben anfänglich lange Zeit auf den Wachtschiffen sitzen müßen. Nachher aber hat man ihnen erlaubt, in die Städte oder auf das Land zu gehen, und für Essen und Trinken daselbst zu arbeiten. Der größte Teil hat dieses, aus Not angenommen, und es sind Einwoner von 80 ja 100 engl. Meilen her nach Boston gekommen, und haben sich Leute ausgesucht. Die Professionisten kommen recht gut weg, und verdienen sich bares Geld dazu. Diejenige, so keine Profession können, müssen dreschen, Holz hauen, und andre KnechteDienste tun. Alle Sergeanten, ja einige EstandartenJunker, müßen arbeiten, und die Bauren bedienen. Das Essen, was sie bekommen, ist gut, und das CyderFaß ist ihnen nicht verschloßen. Jeder Habitant, der einen solchen Gefangnen hat, muß für solchen einstehen; doch können auch beide mit Vorwissen der Obrigkeit sich von einander trennen. Ob die Demoiselles Töchter in den Häußern, wo junge und unverheiratete Kerls arbeiten, nicht manchen zurückbehalten werden, wird die Zeit leren.

Den 1 Jan. 1778.

Meinen lieben Freunden wünsche ich ein recht vergnügtes &c. Neues Jar, und mir folglich die Freude, lauter erwünschte Nachrichten von Ihnen zu hören.

Den 5 Jan.

Heute läuft leider die betrübte Nachricht ein, daß der gute und rechtschaffne Capit. von Dahlstjerna den 23 Dec. seinen Geist zu Albany habe aufgeben müßen. Hier in den Baraquen ist den 30 Dec. der Lieut. Pflüger, ein Schwager des Obr. Baum, an einer auszerenden Krankheit gestorben. Dagegen hat uns der ehemals in Braunschweigischen Diensten gestandene Maj. Lutterloh grüßen lassen, welcher bei der Washingtonschen Armee die Dienste eines Gen. Quartirmeisters besorgt. Auch der Maj. von Mengen hat von seiner Mutter SchwesterSohn, einem D. Medicinae Namens Schmidt, einen Besuch erhalten: er ist in sehr guten Umständen, und hat sich mit einer nahen Verwandtin des Präsid. Hancock verheiratet.

Den 13 Jan.

Unsre lange Weile nimmt zu, und fällt uns beinahe unerträglich. Die Witterung erlaubt uns sehr oft nicht, an Ausgehen oder Ausreiten zu gedenken. Der Kanadische Winter ist gülden gegen den hiesigen: solche anhaltende durchziehende und kalte Winde haben wir dort nicht gehabt. Bis jezt ist der ganze Winter fast nur Ein Sturm gewesen. Die Winde sind so heftig, und so mit großen Stößen begleitet, daß die hölzernen Häußer förmlich davon erschüttert werden und beben. Dabei ist die Witterung stets abwechslend; und einen Tag hat man Tauwetter, und des andern Tags oft eine Kälte, die der von Kanada gewiß gleich kömmt. Wir haben bereits erstaunlich viel Schnee gehabt, aber deswegen kaum 4 Tage recht gute Schlittenbahn. Das Schlittenfaren allhier kömmt gegen Kanada gar nicht einmal in Betrachtung: weder die Ban noch die Pferde kommen solcher zur Hälfte nicht bei.

Die HauptUnterhaltung unter uns ist jezt der Prozeß, der zwischen dem Gen. Burgoyne, und einem Amerikanischen Obristen, Namens Hanley, herrscht. Jener hat diesen in Person eines vorsetzlichen Mordes angeklagt, den er auf dem Winterhill an einigen englischen Soldaten ausüben wollen. Die Sache wird jezt durch ein amerikanisches Kriegsrecht von 2 Obr. 2 Obr. Lieut. 2 Maj. und 4 Capit. untersucht, und der Brigadier Clover ist Präses. Diese Gerichte sind anders wie bei uns. Das GerichtsHaus ist ein ovales Gebäude, welches rings umher große KirchenFenster hat, die bis an das Dach reichen. Inwendig befindet sich nichts, wie ein großer Sal: die Mitte desselben ist durch 2 Tritte und ein Geländer abgeteilt, und also die Hälfte des Sals auf 1½ Fuß erhabner, wie der andere Teil. Ganz oben und der großen Türe gegen über sitzt der Präses wie auf einer Katheder, die ihm, wenn er steht, bis an die Brust reicht. Zu beiden Seiten der Katheder sitzen die Assessores, und die vornemern sitzen höher wie die geringern, haben aber sämtlich eine bretterne Bekleidung wie einen Pult vor sich. Vor der Katheder des Präsidenten steht ein großer 4eckter Tisch, an welchem der Aduocatus causae sitzt, der linker Hand den Kläger, und rechter Hand den Beklagten, bei sich sitzen hat: beiden zur Seiten sitzen deren Assistenten. Die des Gen. Burgoyne sind die Gen. Phillips und von Riedesel. Jede Partei hat 4 bis 5 Officiers, die auf der andern Seite des Tisches sitzen, und das Protokoll eben so gut mit füren können, wie der Aduocatus. Der Aduocatus vernimmt die Zeugen; allein sowol der Präses wie die Assessores, ja selbst der Kläger und Beklagte, dürfen Fragen an solche ergehen lassen; und diese benebst ihren Beantwortungen werden protokollirt. Bei diesen Gelegenheiten werden oft von einem oder dem andern, über die Anwendung der Gesetze auf die verschiedenen Fälle, große Reden gehalten. Der Gen. Burgoyne hat sich einigemale als einen großen Redner gezeigt, und dem ganzen Gerichte Thränen ausgepreßt. Die Sache wird von Tag zu Tag weitläuftiger, indem die Tat des Obr. Hanley, als der das Directorium über alle Magazine hat, von vorhergehenden Debatten mit den Engländern bei Ausgabe der Provisions ihren Ursprung hat, und er solche mit einem DienstEifer beschönigen will. Warscheinlich wird der Proceß gedruckt werden. Jede Mannsperson kan solchem Gerichte beiwonen; und es ist jedem auch erlaubt, in seiner Tafel nachzuschreiben. Das Gerichtshaus ist gepfropft voll, und dem Geringsten ist es nicht gewehrt, hinein zu kommen.

Den 30. Jan.

Nach Boston darf noch niemand gehen. Weil wir jezt bis nach Charlestown gehen dürfen, welchen Ort nur ein kleiner Meerbusen von Boston scheidet: so habe ich die Stadt sehr in der Nähe gesehen, welches aber nur unzeitige Begierde, die Stadt von innen zu besehen, in mir erneuert hat. Das Geläute der Stadt ist vortrefflich, auch ist ein berümtes Glockenspiel in derselben.

Den 5 Febr. 1778.

Diesen Tag setze ich unter die vergnügtesten, die ich noch allhier gehabt habe. Der Commissär Messero, der das Gen. Departement über alle wirklich Gefangene hat, hat ein großes Felleisen mit Briefen aus Boston zu uns gebracht. Sie sind zwar alle geöffnet und gelesen worden, allein das schadet nichts. Man hat die Briefe von Rhode Island nach Boston geschickt, und am erstern Orte sollen noch merere liegen. Der Briefe, die ich erhielt, waren in allen 8: der älteste war vom 4 März, und der jüngste vom 3 Sept. Ich kan meinen Freunden das Vergnügen nicht genug beschreiben, welches ich bei Erhaltung so vieler Briefe, und zwar aus der ersten Hand, empfand. Der Commiss. Messero, ein Niederländer von Geburt, ist überhaupt gegen uns ein warer freundschaftlicher Mann. Aber wann wird dieser mein Brief so glücklich seyn, von meinen Freunden gelesen zu werden!

Unsre Situation wird übrigens von Tag zu Tag übler. Irrungen, Streitigkeiten, Mißverständniße, und Zänkereien hören gar nicht auf, und beide Teile tragen zu deren Vermerung das ihrige zuweilen bei. Die Amerikaner fangen so gar an, schon öffentlich zu sprechen, daß man uns die Capitulation nicht halten würde; und wollen uns, aber unbilliger Weise, aufbürden, daß wir solche nicht gehalten hätten. So viel ist leider gewiß, daß der Gen. Gates sagt, er habe sein Commando niedergelegt, und diese Sache dem Congresse überlassen. Aus mancherlei Ursachen, in Betracht unserer so wol als vorzüglich der Soldaten, würde es traurig seyn, wenn wir noch eine lange Zeit hier bleiben sollten. Würden wir in die Tiefe des Lands verteilt; so würden wir gewaltig aus einander kommen: auch werden wir gewißlich alle Bedürfnisse 4mal höher wie hier bezalen müssen. Sollten aber die Regimenter noch einen Winter auf dem Hill aushalten müssen: so bin ich auch für den besten und rechtlichsten Kerl nicht gut. Es bleibt aber überhaupt kein Leben trauriger, als das untätige: und wenn man hinzu setzt, daß unser untätiges Leben noch dazu mit einem Zwange verknüpft ist; so lebt man eben wie im Schlafe. Am Tage aber wachend schlafen zu müßen, ist grausam. An waren und tätigen Beschäftigungen felt es uns gänzlich: Bücher haben wir gar nicht, um durch deren Lesung leere Stunden für uns zu füllen.

Den 15 Febr.

Der Prozeß gegen den Obr. Hanley dauert noch fort, und die Verhöre werden täglich fortgesetzt. Zuverläßige Nachrichten aus unsrer Nachbarschaft kan man nicht erfaren; und ich habe mir feste vorgesetzt, von allem was ich höre nichts zu glauben, und nichts zu schreiben. Es ist unglaublich, wie viele mündliche und gedruckte Unwarheiten allhier nach dem Interesse eines jeden verbreitet werden. Wie es eigentlich in Kanada zustehen mag, weiß ich gleichfalls nicht. Die Amerikaner sprechen von einer großen Expedition mit 3 Corps, die dahin unternommen wäre: verschiedene Gründe wollen mir aber den Glauben an die Warheit davon verbieten. Der Gen. Howe hat sein Hauptquartir in Philadelphia, und der Congreß hat anjetzt seinen Sitz in York-Town. Viele Rekruten für die amerikanische Armee werden aufgetrieben, und täglich in den Waffen geübt.

Den 1 März.

Der Prozeß gegen den Obr. Hanley ist geendigt, und solcher ist, wie man leicht vermuten können, gut für ihn ausgefallen. Der Obriste ist völlig frei gesprochen, und alle seine Handlungen sind seinem Diensteifer zugeschrieben worden. Wir haben so penetrante Kälte gehabt, daß wir uns bei dem stärksten Feuer in den Kaminen kaum haben erwärmen können.

Den 18 März.

Heute ist ein von dem Gen. Burgoyne an den Congreß geschickt gewesener Officier wieder zurückgekommen, und hat dem General Erlaubniß gebracht, seiner Gesundheits-Umstände wegen auf eine Zeitlang nach England reisen zu dürfen. Aber leider hat es sich beinahe völlig entwickelt, daß wir, oder vielmehr die ganze Armee, nicht von hier weggehen sollen, und daß der Congreß an die Capitulation nicht gebunden seyn will. Was soll also noch aus uns werden? Der Trost ist geringe, daß ich wenigstens vielleicht nun diesen Brief an meine liebe Freunde gelangen lassen kan. Auch der Trost ist nicht hinlänglich, daß wir Erlaubniß haben, unsere in Kanada zurückgelaßne Bagage, und die daselbst aus Niedersachsen angekommene Sachen, hieher holen lassen zu dürfen. Man kan sich indeß kaum vorstellen, wie nötig wir diese Sachen haben, um uns wieder zu bekleiden. Der Soldat hat nun seine Mondirung über 3 Jar getragen, und dies zu Schiffe, und in Wäldern, und den Winter in Baraquen. Die Officiers haben nichts wie ihre nötigste und schlechteste Kleidungen mit aus Kanada genommen, und seufzen nach neuer Bekleidung. Vor Anfang des Juls werden wir aber solche nicht zu erwarten haben: und wer weiß, was alsdenn noch dazwischen kommt. Offene Briefe will ich in der Folge auf Gewinn und Verlust noch wol an meine liebe Freunde absenden; allein wenig mer werden Sie darinn finden, als daß ich noch lebe und gesund bin. Selbst nach Kanada dürfen wir diesesmal nur offene Briefe an unsre Freunde schicken.

Den 27 März 1778.

Noch liegt der Brief auf dem Tische, und wer weiß, wann ehe er wegkommen wird. Die Abreise des Gen. Burgoyne kan sich noch lange verziehen; und dann ist es noch eine Frage, ob der Brief versiegelt mitgehen kan. Wo nicht, so bleibt er hier.

Den 2 April.

Ganz unerwartet erfare ich jezt die Nachricht, daß der Gen. Burgoyne morgen wegreiset. Ich schließe also, und kan nichts hinzusetzen, als daß ich meine vielgeliebte Freunde bitte u.s.w.

Den 12 Jun.

Bis auf den heutigen Tag hat dieser Brief versiegelt auf einem Brette über meinem Kamine gelegen; denn versiegelt konnte er nicht mitgenommen werden. Der Capit. O’Connell wird nach Europa abgehen: ob er den Brief mir wieder geben muß, weiß ich noch nicht, und er weiß es auch nicht; ich sollte es aber doch nicht hoffen.


Burgoynes Niederlage bei Saratoga ist das wichtigste, wenigstens das an Folgen reichste, was bisher in dem ganzen NAmerikanischen Kriege vorgefallen. Ohne dieselbe hätte Frankreich sich nicht gerade zu vor die Rebellen erklärt; folglich, ohne dieselbe säßen die Franzosen jetzo in Ostindien noch, u.s.w. Diese große Begebenheit, die uns Deutsche noch aus einer andern Ursache nahe angeht, wird in diesen Briefen nach ihren kleinsten Umständen erzält; und zwar von einem Augenzeugen, der überdies die seltene Gabe hat, so zu erzälen, daß seine Leser selbst sich dünken Augenzeugen zu seyn. S.

Siehe oben Heft XIII S. 37 folgg.

Siehe oben Heft XIII S. 41.

Dies war auch einst in Deutschland Mode. Eine KurMärkische Verordnung vom J. 1537 verbietet, ferner keine verdorbne Handwerker zum PredigtAmte zuzulassen, die nur Not halber Pfaffen würden. S.

TRANSCRIBER NOTES

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[The end of Vertrauliche Briefe aus Kanada und NeuEngland vom J. 1777 und 1778 by Heinrich Urban Cleve]